"Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen." Konrad Adenauers Rat an politisch Handelnde ist nach wie vor aktuell und gilt im Augenblick besonders für die Führung der SPD. Mit einem Positionspapier will diese jetzt ihre fatale Russlandpolitik korrigieren und die vom Kanzler vollmundig angekündigte Zeitenwende programmatisch implementieren.
Alles schön und gut. Dass Europa sich militärisch vor Russland schützen und die Bundeswehr wieder zu einer verteidigungsfähigen Armee aufgebaut werden muss, sind jedoch Binsenwahrheiten. Von der angestrebten deutschen Führungsrolle ist bislang dagegen weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil: Der Eiertanz um Leopard-Lieferungen an die Ukraine, den Bundeskanzler Scholz und sein Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt gerade veranstalten, weckt Zweifel an der Ernsthaftigkeit der neuen Strategie. Schmidt ist übrigens einer ihrer Mitautoren.
Wie weit Anspruch und Wirklichkeit bei den Sozialdemokraten auseinander liegen, wird sich zeigen. Zwar dürften FDP und Grüne nicht auf die Balzversuche der Union eingehen und der Ampel die Treue halten. International wird der Schaden für Deutschland jedoch inzwischen immer größer. Eine schnelle Umsetzung des Positionspapiers in reale Politik könnte helfen, bei den Partnern verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Ob es dazu kommt, hängt auch von der Stimmung bei der SPD-Basis ab. Um ihr Votum zu gewinnen, müsste dem Kanzler das gelingen, was er am schlechtesten kann: Seine Politik erklären.