Das müssen Sie zum Superstreiktag am Montag wissen
Zum Beginn der nächsten Woche wird der Verkehr in weiten Teilen Deutschlands still stehen – bleibt es beim einmaligen Superstreiktag?
DPA | 23.03.2023
Zum Beginn der nächsten Woche wird der Verkehr in weiten Teilen Deutschlands still stehen – bleibt es beim einmaligen Superstreiktag?
DPA | 23.03.2023
Am Montag soll in ganz Deutschland gestreikt werden. Foto: dpa/Berg
Deutschland dürfte an diesem Montag in weiten Teilen ins Verkehrschaos stürzen. Mit einem doppelten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi den Verkehr weitgehend lahmlegen. Ausfälle und Verspätungen betreffen Millionen Reisende und Pendler – Überblick über eine beispiellose Eskalation: Welche Bereiche werden betroffen sein? Was ist im Nahverkehr geplant? Was kommt auf Autofahrerinnen und Autofahrer zu? Wann beginnt der Großstreik genau? Was bedeutet der Streik für die Schifffahrt? Gab es schon derartige Gemeinschaftsstreiks? Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich? Bleibt ein Streiktag dieses Ausmaßes einmalig? Warum gibt es den Superstreiktag? Wie reagieren die Arbeitgeber auf die Ankündigungen? Welche Szenarien gibt es?
Der öffentliche Verkehr in großem Umfang – und mit bestimmten Autobahnen auch Teile des Autoverkehrs. Die EVG bestreikt die Bahn, sodass der Betrieb im Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr stillsteht. „So gut wie kein Eisenbahnverkehr“ werde möglich sein, sagt Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Bestreikt werden in großem Umfang die deutschen Flughäfen – laut Flughafenverband ADV können etwa 380.000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frankfurt kommt der Passagierverkehr zum Erliegen. Stark eingeschränkt werden soll auch die Binnenschifffahrt.
Hier soll in sieben Bundesländern so gut wie nichts mehr gehen – in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und in Bayern. Bereits Anfang März hatte Verdi in diesen Ländern Busse, Bahnen, Straßenbahnen zum Stillstand gebracht.
Geschlossene Tunnel – aber zunächst war noch nicht klar, wo genau. „Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen“, kündigte Verdi-Vize Christine Behle an. Diese würden geschlossen – die Durchfahrt sei faktisch dann unmöglich. Als Beispiel nannte Behle den Elbtunnel in Hamburg.
In der Nacht auf Montag um 00.00 Uhr soll es losgehen – 24 Stunden soll der Ausstand andauern. EVG-Chef Martin Burkert empfahl Reisenden ausdrücklich, am Sonntag rechtzeitig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollen Reisende aber nicht stranden. „Wir werden keinen Fahrgast aus dem Bus werfen“, sagte Behle.
Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa der Hamburger Hafen sollen bestreikt werden. Bestimmte Bereiche seien dann komplett blockiert, der Hamburger Hafen werde für große Schiffe teils nicht mehr erreichbar sein.
Ja, Anfang der 1990er Jahre. Damals wurden während eines sogar mehrwöchigen Streiks der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland gleichzeitig bestreikt. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf – nicht um Warnstreiks.
„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“
Das ist offen. Die Gewerkschaften zeigen sich äußerst entschlossen. „Wir können streiken“, betonte Verdi-Chef Frank Werneke. Tarifexperte Schulten erwartet aber derzeit eher, dass der gemeinsame Streiktag „erst einmal eine punktuelle Aktion“ bleibt, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.
Aus Sicht der Gewerkschaften zeigen die Arbeitgeber in mehreren Tarifrunden zu wenig Bewegung. Mit der Großaktion am Montag lassen sie pünktlich zur dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst die Muskeln spielen. Für die 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen verlangen Verdi und der Beamtenbund dbb 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die EVG kämpft derweil mit mehreren Unternehmen um mehr Geld – besonders im Blick: die Deutsche Bahn.
Mit heftiger Kritik. „Nicht ok“ ist die massive Ankündigung für die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Welge argumentiert, dass ein Ergebnis schließlich in der dritten Runde in Potsdam gefunden werden könne. Auch Bahn-Personalvorstand Seiler forderte „eine zügige Lösung“ statt eines großen Warnstreiks.
Für den öffentlichen Dienst erinnert Tarifexperte Schulten an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde – und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam kommende Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Schulten.
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