CDU ist in Thüringen auf dem Irrweg
Die verfassungsfeindliche AfD des Björn Höcke eignet sich nicht zum demokratischen Mehrheitsbeschaffer. Alle demokratischen Parteien im Erfurter Landtag haben versagt.
Ulrich Suffner | 16.09.2023
Die verfassungsfeindliche AfD des Björn Höcke eignet sich nicht zum demokratischen Mehrheitsbeschaffer. Alle demokratischen Parteien im Erfurter Landtag haben versagt.
Ulrich Suffner | 16.09.2023
Ulrich Suffner
Der parlamentarische Irrweg, den die Fraktionen von CDU und FDP am Donnerstag im Thüringer Landtag beschritten haben, nützt nur der in weiten Teilen unzweifelhaft rechtsextremen AfD und schadet der Demokratie in ganz Deutschland. Denn der skandalöse Vorgang, dass in einer parlamentarischen Auseinandersetzung zweier demokratischer Lager ohne jeweils eigene Mehrheit Verfassungsfeinde das Zünglein an der Waage spielen dürfen, erweckt den fatalen Anschein, die AfD sei eine ganz normale Partei, mit der sich in der Tagespolitik Mehrheiten bilden ließen und – in weiteren Entwicklungsschritten – auch Bündnisse und Regierungen. Die AfD ist aber keine normale Partei. Weite Teile dieser Partei wollen bewiesenermaßen den demokratischen Rechtsstaat abschaffen. Sie eignen sich deshalb nun einmal nicht als Mehrheitsbeschaffer in demokratischen Prozessen. Weder im Bundestag, noch in einem Landesparlament. Weder wie in Thüringen in dieser Woche für CDU und FDP, noch im Frühjahr im gleichen Parlament für SPD, Grüne und Linke. So gesehen haben alle demokratischen Parteien im Thüringer Landtag versagt. Die thüringische CDU muss sich nun fragen lassen, warum sie in der Konsequenz ihrer Argumentation, man könne ja nichts dafür, wenn die AfD mitstimme, Ministerpräsident Bodo Ramelow nicht umgehend das Misstrauen ausspricht. Denn der Regierungschef von den Linken hat seit der vergangenen Landtagswahl keine Mehrheit mehr im Thüringer Landtag, der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt möglicherweise schon. Auch in Thüringen wird es in Zukunft sicher keine Verabredungen zwischen CDU und AfD geben. Aber seit Donnerstag ist nicht mehr unvorstellbar, dass in Erfurt ein CDU-Ministerpräsident vom Antisemiten Björn Höcke geduldet Regierungsmacht erlangen könnte. Davor bewahre der liebe Gott die Christlich Demokratische Union Deutschlands. „Parlamentarisch ist das kein Alltag“, hat der Politologe Karl-Rudolf Korte im ZDF richtig analysiert. In der Thüringer Sonderform der rot-rot-grünen Minderheitsregierung hat die AfD in dieser Woche erstmals die Rolle eines „Blockadebrechers“ übernommen, weil die demokratische Opposition aus CDU und SPD nur mit Hilfe der Rechtsextremen zum Gesetz kam. Das ist etwas völlig anderes, als wenn die AfD in Parlamenten und Räten mit demokratischen Mehrheiten bei Gesetzesinitiativen mitstimmt. Um so wichtiger ist es, dass demokratische Parteien mit guter, an den Sorgen und Nöten der Menschen orientierte Politik dafür sorgen, dass in anderen Bundesländern keine thüringischen Verhältnisse Einzug halten. Viele Menschen geben der AfD derzeit aus Protest und Provokation ihre Stimme. Sie haben Angst vor vielerlei Veränderungen, vom Klimawandel über Migrationsbewegungen bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine. Deshalb sind diese Angstwähler noch lange keine Nazis und nicht für die Demokratie verloren. Nicht in der parlamentarischen Normalisierung der AfD, sondern allein in der Lösung drängender Probleme liegt die Chance der demokratischen Parteien. Dazu braucht es in dem einen Themenfeld aus Sicht der CDU vielleicht einen Deutschland-Pakt mit der Regierung und im anderen dagegen eine neue inhaltliche Positionierung und pragmatische Abgrenzung zu linksliberalen Wunschträumen. Zuletzt hatte die CDU durchaus den Eindruck vermittelt, diese Chance am Schopf packen zu wollen. Seit Donnerstag muss man wieder zweifeln. Dabei würden die Konservativen am meisten profitieren, wenn die Zustimmung zur AfD wieder sinkt.
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