Zukunftsmacherin: Astrid Brokamp ist "keine Missionarin"
Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Vechta hat große Aufgaben und bereits viele Projekte wie das überparteiliche Frauenbündnis mit ins Leben gerufen.
Normann Berg | 22.06.2022
Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Vechta hat große Aufgaben und bereits viele Projekte wie das überparteiliche Frauenbündnis mit ins Leben gerufen.
Normann Berg | 22.06.2022
Astrid Brokamp ist auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung und Gleichstellung im Landkreis Vechta. Foto: Berg
Kaum eine Eigenschaft wird von Arbeitskräften in verantwortungsvollen Positionen so sehr erwartet wie Durchsetzungskraft. Die Fähigkeit, seine Ideen, Vorstellungen und Konzepte auch gegen Widerstände durchzubringen, ist aber nicht nur in Abteilungsleitungen von Unternehmen vonnöten, sondern auch in behördlichen Funktionen, die einen relevanten sozialen Bezug haben – etwa das Amt der Gleichstellungsbeauftragten. Beim Landkreis Vechta hat Astrid Brokamp diese Position inne. „Es gibt Durchsetzungsfähigere, aber ich arbeite daran“, sagt sie in aller Bescheidenheit und mit einem verschmitzten Lächeln. Die Realität zeigt, welches Durchsetzungsvermögen sich die 45-Jährige bereits erarbeitet hat. An der Realisierung vieler aktueller Projekte war sie beteiligt. Dazu zählen etwa die neue Hebammenzentrale, die dabei helfen soll, dass Hebammen, Schwangere und Mütter unkompliziert zusammenfinden. Oder das vor kurzem gegründete überparteiliche Frauenbündnis, das mehr Politik mit Frauen und für Frauen etablieren will. Hinzu kommen diverse kleine Aktionen, vorweg ein Online-Stammtisch für Alleinerziehende, der sich während der Corona-Pandemie etabliert hat und regelmäßig von etwa 15 Personen besucht wird. Vor 4 Jahren hat Astrid Brokamp das Amt der Gleichstellungsbeauftragten übernommen. Sie wurde dazu vom Kreistag berufen, nachdem ihre Vorgängerin Ruth Voet in Altersteilzeit gegangen war. Ein Vollzeitjob mit zwei kleinen Kindern: „Schaffen Sie das?“, habe sie der damalige Landrat Herbert Winkel gefragt. „Wenn ich muss, schaffe ich das“, habe sie geantwortet. Gesagt, getan: Brokamp, die zuvor beim Jobcenter gearbeitet hatte (siehe Fakten), wollte diesen Posten unbedingt haben. Warum? Weil sie ein revolutionärer Mensch und eine Vorkämpferin für Frauenrechte ist? Nein. „Ich habe die Gleichstellung als berufliche Entwicklungsmöglichkeit gesehen, idealistischer Natur war die Bewerbung nicht“, sagt sie ganz offen. Und weiter: Sie hätte sich ob ihrer Vorkenntnisse höchstens noch als Leiterin eines Jugendamtes bewerben können, „aber dafür bin ich zu zart besaitet“. Mittlerweile hat sich die „Entwicklungsmöglichkeit Gleichstellung“ allerdings doch in eine Art persönliche Sinnaufgabe verwandelt. Auch, weil Astrid Brokamp festgestellt hat, dass tatsächliche Geschlechtergleichheit noch immer nicht vollständig in der heimischen Gesellschaft angekommen ist. Traditionelle Rollenklischees aufzubrechen: Darin sieht die Dammerin eine ihrer Kernaufgaben. Dazu zählt, dass Elternzeit immer noch deutlich häufiger von Frauen als von Männern in Anspruch genommen wird, dass Frauen oftmals in der Teilzeitfalle festhängen, und dass auch häusliche Gewalt weiterhin kein Einzelfall ist. Auf dem Weg zum großen Ganzen müssten dabei „viele kleine Steine“ bewegt werden. Oftmals sei auch Diplomatie gefragt. Damit sie diesen Weg beschreiten kann, muss die ganze Familie mitziehen. Tut sie auch. Ihr Ehemann hat vorübergehend seine Arbeitszeit reduziert. Beide haben jetzt die gleiche Aahl an Wochenarbeitsstunden. Folge: „Mein Mann ist jeden 2. Mittag zu Hause, macht das Essen warm, nimmt auch mal den Staubsauger in die Hand und macht das alles nicht schlechter als ich“, erzählt Brokamp. Das Wirkungsfeld der Gleichstellungsbeauftragten ist dabei enorm vielschichtig. Durch die Einbindung in das politische System sowie die Ausstattung ihrer Funktion mit vielen Rechten, Kompetenzen, Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten kann sich Brokamp wirkungsvoll in die Gestaltung kommunaler Aufgaben einbringen. So gilt es im eigenen Haus weiterhin, die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen, etwa in der Personalentwicklung. In der Politik berät sie die Kreistagsmitglieder bei deren Entscheidungsfindung – zunehmend. Denn seit der jüngsten Kommunalwahl habe es einen Wandel gegeben. Mittlerweile habe sie „Ansprechpartner in allen Fraktionen“, sagt Brokamp. Außerhalb von Verwaltung und Politik besteht eine weitere Aufgabe darin, die Bevölkerung für ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern zu sensibilisieren, Diskriminierung vorzubeugen und die Rollenvielfalt zu fördern. Kann Sie bei derlei gesamtgesellschaftlichen Aufgaben außerhalb der Arbeit überhaupt noch komplett davon loslassen? „Nein, das gelingt nicht immer“, sagt sie. Nach außen falle das allerdings nicht zwingend auf. Denn: „Ich bin ja keine Missionarin.“ Und wie verbringt sie die verbleibende Zeit? Sie laufe mit Vorliebe ("aber nicht gut"), treffe sich gerne mit Menschen und gehe in Konzerte. Aber der große Teil der freien Zeit „ist dann doch für die Familie“.Gleichberechtigung noch nicht überall angekommen
„Mein Mann ist jeden 2. Mittag zu Hause, macht das Essen warm, nimmt auch mal den Staubsauger in die Hand und macht das alles nicht schlechter als ich.“Astrid Brokamp, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Vechta
Loslassen vom Beruf gelingt nicht immer
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