Aufnahmen von Wildtierkameras zeigen ein trächtiges Tier. Immer Ende April bis Anfang Mai kommen die Welpen zur Welt. Der im Februar überfahrene Wolf wird für den Landkreis Vechta präpariert.
Videosequenz vom 19. April: Der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft bestätigt die Trächtigkeit der abgebildeten Wölfin. Foto: H. Hasper
Kurz hält das Tier inne. Dann läuft es zielstrebig ins schützende Dickicht. Es ist ein Wolf. Die Pfoten drücken sich tiefer in den Moorboden als üblich. Deutlich zu erkennen ist der prall gefüllte runde Bauch. Das Raubtier ist nicht etwa überfressen. Das weibliche Tier ist trächtig, steht unmittelbar davor, Welpen zu gebären.
Zu sehen ist die Szenerie auf einem Video, aufgezeichnet von einer Wildtierkamera zwischen Goldenstedt und Barnstorf. Mit der Kamera, die automatisch über einen Bewegungssensor auslöst, ist es im hiesigen Moor erstmals gelungen, Wolfsnachwuchs zu dokumentieren, bevor er überhaupt geboren wurde. Nach der Paarungszeit im Februar bringen Wölfe ihre Welpen rund um den 1. Mai zur Welt. Normalerweise gelingt es deshalb meist erst später, die Jungtiere durch Bildaufnahmen, die DNA-Auswertung von Kot oder auch durch Verkehrsunfälle zu dokumentieren. Jetzt weiß die für das Wolfsmonitoring zuständige Landesjägerschaft anhand der Videosequenz, dass es in diesem Jahr für das sogenannte Barnstorfer Rudel mindestens einen Welpen geben muss. Die genaue Anzahl wird vielleicht bis zum Herbst feststellbar sein, wenn die Jungtiere fast Elterngröße erreicht haben. Raoul Reding, der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft, bestätigt jedenfalls, dass das Video vom 19. April eine trächtige Fähe zeigt.
Haplotyp 2 ist unter Wölfen in Deutschland selten
Dabei war seit Ende Februar gar nicht sicher, ob es in diesem Jahr im Goldenstedter Moor Nachwuchs geben würde. Denn zu dieser Zeit war in Varenesch kurz vor der Kreisgrenze Richtung Barnstorf im morgendlichen Berufsverkehr ein männlicher Wolf überfahren und tödlich verletzt worden. Unklar war bis jetzt, ob es sich dabei um den Rüden des Rudels gehandelt hat. Das Tier wird zur Zeit im Leibnitz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin untersucht und danach für den Landkreis Vechta präpariert. Wie Jorid Meya, Sprecherin des Umweltministeriums, auf Anfrage mitteilt, steht die genetische Individualisierung des Wolfs noch aus. Noch muss also abgewartet werden, ob sich über die Genetik auch die Elterntiere bestimmen lassen. Aber der Rüde ist es definitiv nicht. Denn laut Meya handelt es sich bei dem Wolf um einen Jährling, also ein Jungtier. Und alles spricht dafür, dass es sich um einen Nachfahren des hiesigen Rudels handelt. Denn der junge Rüde weist nach Informationen von OM-Online genetisch den Haplotypen 2 auf. Alle Wölfe im weiten Umfeld weisen jedoch den Typen 1 auf. Der Haplotyp 2 ist unter Wölfen in Deutschland selten. Vererbt wurde dieser aber von der Goldenstedter Wölfin, die im Oktober 2020 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam und auch jetzt von ihrer Tochter, die möglicherweise weiterhin im hiesigen Moor für Nachwuchs sorgt.
Wolfswelpe im Goldenstedter Moor 2020. Hier kam es zu einer Doppel-Reproduktion – ein seltenes Phänomen bei Wölfen. Foto: M. Niehues
Auch hier wünscht sich Raoul Reding noch mehr Erkenntnisse. Zwar kann er über Fotoaufnahmen von OM-Online den Nachweis führen, dass im vergangenen Jahr sechs Welpen geboren worden sein müssen, bislang fehlen aber noch nähere genetische Erkenntnisse. Die sind auch gerade deshalb interessant, weil es 2020 im Wolfsrevier zwischen Goldenstedt und Barnstorf zu einer sogenannten Doppelreproduktion kam. Normalerweise führen Wölfe ein monogames Leben. Nachdem der ursprüngliche Rüde der Goldenstedter Wölfin plötzlich verschwunden war, paarte sich die Fähe 2020 erstmals mit einem jungen Rüden aus dem Rudel Wietze. Und dieser hatte zeitgleich auch Nachwuchs mit der Tochter der Goldenstedter Wölfin. Für das Wolfsmonitoring ist es also spannend, zu wissen, wie sich die Situation jetzt weiterhin entwickelt.
Auch das Rudel in Werlte ist weiterhin intakt
Reding hat die Wolfssituation im gesamten Land im Auge und verfasst quartalsweise Berichte. Im Gebiet des Oldenburger Münsterlandes gibt es vor allem Kontinuität. Neben Goldenstedt/Barnstorf ist offensichtlich auch das Rudel in Werlte weiterhin intakt. Und auch die Wölfe im Raum Löningen/Herzlake sind nach seiner Erkenntnis weiterhin dort. Zuletzt, berichtet Reding, seien dort wiederholt drei Tiere beobachtet worden. Die Vermutung, die Wölfe dort seien nicht mehr vorhanden, habe sich nicht bestätigt, sagt er.
Wolf im Moor zwischen Goldenstedt und Barnstorf. Foto: M. Niehues
Wie Wolfsberater Ulrich Heitmann aus Dinklage berichtet, hatte es zuletzt Anfang des Jahres immer wieder die Sichtung eines Wolfes zwischen den Dammer Bergen und Campemoor gegeben. Einmal sei das Tier sogar in der Nähe einer Kiesgrube fotografiert worden. Hier gibt es noch keine näheren Erkenntnisse, ob hier möglicherweise nur ein Wolf auf Durchreise war oder sich dort fest aufhält. Raoul Reding hält es auch für möglich, dass sich ein Wolf aus dem Rudel des Rehdener Geestmoores dort mal aufgehalten haben kann. Hier waren wiederholt Tiere des Rudels im Bereich des Dümmers gesichtet worden.
Ruhe herrscht offensichtlich bei den Nutztierrissen. Die entsprechende Tabelle des Landes weist für das Oldenburger Münsterland in diesem Jahr noch keine Risse auf, bei denen der Wolf als Verursacher festgestellt wurde. An der Tabelle erkennbar ist aber, dass die dafür zuständigen Bezirksförster beziehungsweise die Landwirtschaftskammer sofort nach der Rissbegutachtung einen Wolf als Verursacher feststellen, wenn die Spuren darauf hindeuten, und offensichtlich auch schnell entschädigen, wenn die geforderten Schutzvoraussetzungen erfüllt sind. Im Falle eines Risses können Tierhalter den zuständigen Bezirksförster benachrichtigen oder eine Zentralnummer der Landwirtschaftskammer anrufen. Kritik war von Tierhaltern bisher nicht zu vernehmen.