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Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Der persönliche Kontakt ist dem Online-Warenhaus um Längen voraus

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„Wenn du bei Terwelp in Cloppenburg vorbeikommen solltest, kannst du mir wieder ein bestelltes Buch mitbringen?“. Meine Tante beherrscht mit 96 Jahren die Tastatur ihres Handys perfekt und schiebt gleich noch den Satz hinterher „Morgen kannste das Rezept bei der Apotheke abholen, sie bringen es dahin … deine Nervensäge!“.

Das Telefonieren mit der Buchhandlung, der Ärztin oder dem Apotheker klappt bei Tante Lucie noch perfekt. Mich kennen im Bücherladen mittlerweile alle und greifen schon ohne Aufforderung ins Bestellregal, geben mir Bücher, Stifte, Papier oder Kalender zum Selberbasteln – eben alles, was von ihr bestellt ist. Und ich lerne täglich dazu.

Unlängst gab es den passenden Roman von Meyerhoff mit dem Titel „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Ich lese schnell den Buchrücken, liefere das Buch bei Tante Lucie ab und freue mich schon auf ihre Zusammenfassung und das Leserurteil, hart und schonungslos – eben ehrlich – von einer alten Germanistin. Danach darf ich die Bücher immer selber lesen, wenn ich es zeitlich schaffen würde. Ich muss ja noch schnell zur Apotheke und lasse mir die Packungen für Oma und Tante auf die Theke legen, schön ordentlich sortiert für die Bestückung der wöchentlichen Medikamentenboxen. Das wollen und können – hoffentlich – beide noch selber. Schwierig wird es nur, wenn das Präparat nicht mehr lieferbar ist und ein Ersatz von einem anderen Hersteller in neuer Verpackung her muss. Dann brauche ich den schriftlichen Vermerk vom Apotheker, damit meine Damen mir auch glauben.

"Morgen kannste das Rezept bei der Apotheke abholen, sie bringen es dahin … deine Nervensäge!"Antonius Schröer

Ich lerne so täglich dazu, bin bestens über alle lesenswerten Bücher informiert, kann wichtig in belesenen Kreisen mitschnacken, ohne selbst gelesen zu haben, und kenne mich für später mit allen altersgerechten Medikamenten aus – wer hat das schon? Auch weiß ich, welche Kaffeesorte Oma von Tchibo braucht, wenn sie die leere Packung auf den Tisch legt. Amazon kann uns niemals das Wasser reichen, wir sind als eingespieltes Team viel, viel schneller.

Komplizierter wird es nur bei Arztbesuchen, da kann ich maximal der Taxifahrer sein oder für Termine sorgen, vielleicht aber auch manchmal selber heilen, wenn die Haut juckt von der trockenen Heizungsluft und nach Creme schreit. Hautcreme, die es früher bei uns im Haus – außer Nivea für die Hände – nie gab, genauso wenig wie Wasser beim Essen. „Stoppt jao nur dien Maogen vull und du häs kien Appetit“, wusste schon unsere Uroma. Creme und Wasser verordne ich jetzt täglich. Trotzdem trage ich auf meinem Handy auch ein Bild von Tantes juckendem Rücken bei mir, falls ich den Hautarzt – und nur den einen – mal treffe, soll ich ihm sofort das Foto zeigen.

Auch das könnte Amazon niemals.


Zur Person:

  • Antonius Schröer führt mehrere Modehäuser.
  • Der 60-Jährige verkörpert das Vechtaer Original „Straßenfeger“ im Karneval.
  • Kontakt: redaktion@om-medien.de.

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