Welchen Einfluss haben Migrations- und Fluchterfahrungen auf schulische Leistungen?
Rund 250 Teilnehmer verfolgten den Pädagogischen Tag der Universität Vechta mit den Schwerpunktthemen Flucht und Migration. Neben Impulsvorträgen gab es Workshops und Posterpräsentationen.
Voller Hörsaal: Der Pädagogische Tag der Universität Vechta fand großes Interesse. Foto: Universität Vechta/Schmidt
Migrations- und Fluchterfahrungen haben Einfluss auf die Leistung von Schülerinnen und Schülern. Dass diese nicht nur negative Auswirkung haben, sondern auch bereichern können, hat laut Mitteilung der Pädagogische Tag des Zentrums für Lehrer- und Lehrerinnenbildung (ZfLB) an der Universität Vechta gezeigt.
Neben Impulsvorträgen von Professor Dr. Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum und Oberschuldirektorin Petra Hensen von der Anne-Frank-Schule Molbergen gab es Workshops und Poster-Präsentationen für die rund 250 Teilnehmenden vor Ort. Weitere 50 Teilnehmende verfolgten den Livestream des diesjährigen Pädagogischen Tages unter dem Titel „Schüler und Schülerinnen mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung am Lernort Schule begleiten“.
Der Pädagogische Tag zeigt „Möglichkeiten, aber auch Grenzen von Schule auf“, wird Professor Dr. Kai Koch in der Mail der Hochschule zitierte. Er dankte der Universitätsgesellschaft Vechta für die finanzielle Unterstützung. Mit dem Pädagogischen Tag greift das ZfLB jährlich aktuelle gesellschaftliche und bildungsbezogene Themen auf. Das Ziel des Studientags sei unter anderem die Verzahnung von Studium, Schulpraxis und wissenschaftlicher Forschung.
Wie sich ein Migrationshintergrund auf schulische Leistungen ausübt, erläuterte Professor Dr. Karim Fereidooni. Foto: Universität Vechta/Schmidt
Haltung der Lehrer oftmals ausschlaggebend
Welchen Einfluss ein Migrationshintergrund aus wissenschaftlicher Perspektive auf die Leistung in der Schule haben kann, legte Professor Dr. Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität Bochum dar. Dabei gebe es nicht den einen Migrationshintergrund der Auswirkung habe, führte der Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung aus. Ein Migrationshintergrund sei gar nicht maßgeblich ausschlaggebend für einen Bildungserfolg. So hätten beispielsweise bei vergleichbarem sozialen Status Kinder mit Migrationshintergrund bessere Chancen auf eine Gymnasialempfehlung als Kinder ohne Migrationshintergrund.
Es müssten deswegen andere Variablen betrachtet werden, sagte Fereidooni und brachte Beispiele aus unterschiedlichen Studien: Unter anderem sei die Haltung der Lehrkräfte ausschlaggebend. Der bloße Vorname eines Kindes – in diesem Fall Max oder Murat – führt laut Studien bei gleicher Leistung zur schlechteren Bewertung des Kindes mit dem ausländisch klingenden Namen. Auch trage das Schulsystem zu entsprechenden Lernverläufen bei: Nach der vierten Klasse bedürfe es einer Leistungsbewertung der Schulkinder.
Fereidooni fordert Leistungsbewertung nach der 4. Klasse
„Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man auf der Hauptschule starten und sich dann hocharbeiten kann.“ Vielmehr sei der Schulwechsel in die andere Richtung wahrscheinlicher. Das System sei nicht darauf ausgerichtet, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte ihr volles Potenzial an Schulen entfalten könnten, so der Wissenschaftler. „Deswegen adressiere ich mit meiner Arbeit die Politik.“
Über ihre Arbeit an der Anne-Frank-Schule berichtete Oberschuldirektorin Petra Hensen. Foto: Universität Vechta/Schmidt
Wie auf Ebene der Schulen und Lehrkräfte an dem Thema gearbeitet werden kann, zeigte der Vortrag von Petra Hensen. An der Anne-Frank-Schule in Molbergen lernen rund 70 Prozent Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Man müsse zwar die Vorgaben des Landes umsetzen, aber zugleich wissen, wie man sich darin bewegen kann, so die Oberschuldirektorin. „Wenn wir Lerngestaltung betreiben, dann im Angesicht der globalen Herausforderungen.“
Individuelles Lerntempo und Leistungsniveau
Durch die Digitalisierung würde beispielsweise die Lern- und Arbeitswelt verändert. Demokratiebildung sowie der Mut, für demokratische Werte einzustehen, gehöre ebenso dazu. Lernen an der Anne-Frank-Schule bedeute, sich etwas zeigen zu lassen, sich selbstständig etwas zu erarbeiten, zu forschen und zu planen, zu experimentieren, zu präsentieren und zu kommunizieren sowie sich zu bewegen und zu entspannen, so die Oberschuldirektorin. Das wiederum erfordere veränderte Strukturen: Die Unterrichtseinheiten seien in Blöcke à 90, 75 und 30 Minuten eingeteilt. Es gebe Lernformate wie das Lernbüro. Dabei handle es sich um eine Lernzeit, in der die Schülerinnen und Schüler frei, leistungsdifferenziert und klassenübergreifend arbeiten. Im Lernbüro sollen die Kinder ihrem Lerntempo und Leistungsniveau entsprechend selbstständig ausgewählte Unterrichtsinhalte erarbeiten.
Anschließend an die zwei Impulsvorträge beschäftigen sich die teilnehmenden Studierenden in fachspezifischen oder fachübergreifenden Workshops mit ausgewählten Aspekten des Themenfelds Migration, Flucht und Inklusion. Im Rahmen des Pädagogischen Tages wurden außerdem schul- und unterrichtsbezogene Forschungsarbeiten aus dem Projektband „Forschendes Lernen“ präsentiert und ausgezeichnet. Themen dabei waren unter anderem der Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Schule, das Vorlesen im DaZ-Anfangsunterricht oder die Darstellung marginalisierter Gruppen in Schulbüchern.
Rund 250 Teilnehmer verfolgten den Pädagogischen Tag der Universität Vechta. Foto: Universität Vechta/Schmidt