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Warum misstrauen immer mehr Menschen den Medien?

Kolumne: Von einem fehlerhaften Aushang im Wartezimmer meines Arztes hin zur Berichterstattung über den Ukraine-Krieg: eine Gedankenreise.

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Beim Arzt sollten Patienten Zeit mitbringen. Immerhin, wofür gibt es sonst das Wartezimmer. Es ist ein Montagnachmittag und ich sitze dort auf meinem Stuhl – und warte. Neben der Klatschpresse liegt auf dem Tisch auch der "Spiegel" und ich versinke in eine Analyse über den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius. Knappe 10 Minuten sind vergangen. Reicht die Zeit noch für eine weitere Geschichte? Mein Blick schweift durch den Raum und bleibt an einem Schild an der Tür hängen. Der Patient wird darüber informiert, wo er seinen Wagen idealerweise parken soll. Ehrlich gesagt, habe ich diese Information erst nach mehrfachem Lesen verstanden. Die vier Zeilen Text strotzen nur so von Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Ernsthaft? Bisher habe ich immer viel Vertrauen in meine Arztpraxis gehabt.

Mit Blick auf den "Spiegel" in meinen Händen muss ich über eine Diskussion nachdenken, die ich wenige Tage zuvor geführt habe. Es ging um den Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundene mediale Berichterstattung. Wir (Medien) würden sehr einseitig berichten, war der Vorwurf. Die Rolle Russlands spiele gar keine Rolle. Kurz dachte ich an dieser Stelle: Die Diskussion können wir sofort beenden. Wir werden nicht auf einen Nenner kommen. Doch ich gab dem Ganzen eine Chance und horchte nach. 

Schnell bemerkte ich, dass es meinem Gegenüber keineswegs um Positionen geht, die aktuell von Alice Schwarzer und ihrer neuen besten Freundin Sahra Wagenknecht vertreten werden. Vielmehr scheint ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber medialer Berichterstattung vorzuliegen. "Spiegel", "Faz", "Zeit", "ARD" und "ZDF" seien nicht immer glaubwürdig. Das machte mich stutzig, zumal diese These spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie öfter vertreten wird.

"Ich bin der festen Überzeugung, dass die Art und Weise der Berichterstattung hierzu beiträgt. Meldungen werden skandalisiert."Jan-Christoph Scholz

Studien zeigen durchaus auf, dass das Misstrauen gegenüber Medien zunimmt. Doch eine große Mehrheit vertraut zumindest den öffentlich-rechtlichen Sendern oder Tageszeitungen. Boulevard ist eine Ausnahme. Dennoch finde ich, ist es erschreckend, dass es überhaupt so viel Misstrauen gibt.

Woran kann das liegen? Ich bin der festen Überzeugung, dass die Art und Weise der Berichterstattung hierzu beiträgt. Meldungen werden skandalisiert. In Analysen wird oftmals auf Politiker verbal eingedroschen – positive Aspekte verschwinden so. Es ist die Aufgabe von uns Journalisten, kritisch und neutral zu berichten. Immer wieder müssen wir auch an unangenehmen Stellen nachbohren. Doch schließt das aus, auch über Dinge zu berichten, die gut laufen? Die Gegenfrage lautet: Wen interessiert es, ob es in einer Stadt genug Kita-Plätze gibt? Ist nicht spannender, wenn sie in großer Zahl fehlen?

Es lohnt sich, immer wieder kritisch zu hinterfragen

Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland bei den genannten Medien ein grundsätzliches Problem bei der neutralen Berichterstattung haben. Das "Sagen, was ist" gilt für die Mehrheit der Journalisten. Trotz allem tut es gut, sich immer wieder zu hinterfragen. Habe ich wirklich alle Seiten zu Wort kommen lassen? Ist Meinung (beispielsweise als Kommentar) deutlich gekennzeichnet? Dazu gehört auch, wenn Fehler passieren, diese einzugestehen.

Das Vertrauen zu meinem Arzt ist übrigens durch den fehlerhaften Aushang nicht gebrochen. Vielleicht diente er ja auch einer Denksportaufgabe, um die Wartezeit zu verkürzen. Denn plötzlich war ich an der Reihe. Ich werde es in Erfahrung bringen.


Zur Person:

  • Jan-Christoph Scholz ist Reporter der OM-Medien.
  • Sie erreichen den Kolumnisten per E-Mail unter: redaktion@om-medien.de.

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