Das war schon ungewöhnlich. Die Anklagevertreterin der Staatsanwaltschaft bot dem Strafgericht zwei Möglichkeiten in der Anklage gegen einen nicht gerade unbescholtenen und wegen einer schweren Straftat in Steinfeld in der Untersuchungshaft befindlichen 32-Jährigen an: schwerer Diebstahl oder Hehlerei. Das Gericht hatte zu entscheiden, was es denn war, was sich in der Nacht vom 16. auf den 17. September 2021 auf der Baustelle bei der Feuerwehr in Holdorf zugetragen hatte. Fest stand nur, dass bei einem Einbruch Baumaterialien gestohlen wurden, die am nächsten Tag bereits einem Brockdorfer zum Kauf angeboten wurden.
Ob super clever oder mit Hintergedanken präsentierte sich der Angeklagte. Von der eingezäunten Baustelle und mit verschlossenen Containern waren Baustoffe gestohlen worden. Die 150 Meter langen Kabel trugen alle die Aufschrift eines Lohner Bauunternehmens. Der Chef der Firma erklärte als Zeuge, jährlich würden auf Baustellen, ob eingezäunt oder nicht, für rund 10.000 Euro Materialien gestohlen. Deshalb würden die farbigen Kabel alle mit Namen versehen.
Am Tag nach dem Einbruch bot der Angeklagte die Waren zum Kauf an. Der mutmaßliche Kaufinteressent, der am Tag nach dem Einbruchsdiebstahl vom Angeklagten aufgesucht worden war und Bilder von den Baustoffen auf dem Handy hatte, kaufte nicht, meldete das Angebot aber sofort der Polizei und die informierte den Chef der Baufirma. Eine Durchsuchung der Halle der Steinfelder Familie des Angeklagten brachte das Diebesgut zutage und konnte der Baufirma wieder ausgehändigt werden. Eigentlich war alles klar.
"In einer ersten Verhandlung über diesen Fall waren Polizeibeamte und Mitarbeiter der bestohlenen Firma als Zeugen erschienen, nicht aber die angeblichen Einbrecher."Klaus Esslinger
So klar war es aber nicht. Der Angeklagte erklärte vor dem Strafgericht eingangs, er habe Bekannte getroffen, man habe getrunken und dabei sei er gefragt worden, ob er nicht Baustoffe kaufen wolle. Er habe sich das überlegt und man habe sich spätabends auf der Baustelle in Holdorf getroffen. Dort habe der Bekannte mit noch zwei Bekannten mit einem Bulli gestanden. Darin seien die Baustoffe gewesen. Er habe das abgeschätzt und 850 Euro geboten und gekauft. Er habe er einen Kaufvertrag per Hand geschrieben, den Ausweis des Verkäufers verlangt und mit seinem Handy fotografiert. Von zwei Zeugen habe er sich den Kaufvertrag unterschreiben lassen. Er sei halt misstrauisch gewesen und habe vorsichtshalber so gehandelt.
Alles gut, Vertrag, Ausweis und Zeugen. Dann sei die Ware in seinen Sprinter geladen worden und er habe das Zeug nach Steinfeld in die Halle der Familien gefahren und anschließend zum Verkauf angeboten. In einer ersten Verhandlung über diesen Fall waren Polizeibeamte und Mitarbeiter der bestohlenen Firma als Zeugen erschienen, nicht aber die angeblichen Einbrecher. Gegen die wurde Haftbefehl erlassen, aber sie waren nicht aufzufinden und fehlten auch in der Fortsetzungsverhandlung. Der Angeklagte wurde wegen einer anderen schweren Steinfelder Straftat vorgeführt. Der Verteidiger des Angeklagten beantragte, dass weiter nach den beiden Zeugen gesucht werde, die sich wahrscheinlich in ihrer Heimat in Litauen befinden würden. Außer Spesen nichts gewesen. Neuer Termin nach Auffinden der verschollenen Zeugen.
Zur Person:
- Klaus Esslinger ist Gerichtsreporter und war viele Jahre Lokalchef der Oldenburgischen Volkszeitung.
- Kontakt zum Autor über: redaktion@om-medien.de.