Frauen als Hexen zu bezeichnen, ist wahrlich überlebt, keine Frage. Besonders dann, wenn es um die eigene Mutter geht. Die Frau, die einen zur Welt gebracht, versorgt und erzogen hat. Und immer liebt. In der Bibel heißt es ja schon: Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es dir wohl ergehe und du lange lebst auf Erden.
Trotzdem hat es mir – wider der unschönen Umstände – in den Fingern gejuckt, als ich diese Kolumne verfasst habe. Und zu meiner Verteidigung: Die Idee war nicht mal meine. Aber dazu später mehr.
Alles begann mit der Walpurgisnacht, dem 30. April. Mit dem Tanz in den Mai sollte der Abend aber wenig zu tun haben. Vielmehr mit der weit verbreiteten Ansicht auf alte heidnische Bräuche und Aberglauben, dass an besagtem Tag die Hexen zum Brocken ritten, um sich dort am Feuer mit dem Teufel zu paaren.
Verzaubert bin ich von der Mär keineswegs. Wenn Sie mich fragen, ist die Geschichte reichlich behämmert. Aber Stahlkraft hat sie bis heute – und hat an besagtem Tag in diesem Jahr auch fürs Tischgespräch im Restaurant gereicht.
"Wer dann kein Veilchen ins Gesicht gezaubert bekommt, hat es mit einer wahrlich entspannten He... Ehefrau zu tun."Max Meyer
Nach einem langen Spaziergang um die Ahlhorner Fischteiche meinte meine Mutter nämlich, dass ihr Rückenleiden wie verflogen sei – auch ohne Besen. Beim späteren gemütlichen Abendessen – so wurde mir berichtet – rückte dann das Hexen-Thema in den Mittelpunkt. Es wurde über Geschlechterstereotype gescherzt: Wenn schon Walpurgisnacht ist und man als Frau keinen Hut trägt, ja, dann könnte einem ja wenigstens noch eine Warze auf der Nase wachsen. Hui. Die kommt man aber offenbar erst dann, wenn der Ehemann einem den Besen in die Hand drückt. Oder wenn Besagter um 6 Uhr volltrunken nach Hause kommt, seine Ehefrau an der Tür mit dem Besen sieht und fragt: Willst du noch fegen oder wegfliegen? Der Mann, der dann kein Veilchen ins Gesicht gezaubert bekommt, hat es mit einer wahrlich entspannten He.. Ehefrau zu tun.
Und nun zur teuren Rechnung: Dass die Hexensprüche am Folgetag Auswirkungen haben würden, das ahnte beim Rumblödeln am Vorabend wohl keiner. Und so trug sich das zu, was man wirklich niemandem wünscht – auch keiner Hexe. Meine Mutter zog sich am Sonntagmorgen die 2. Socke an – und zack: Hexenschuss. Wie ein Messerstich in den Rücken. Zu gut Deutsch: Scheiße. Stimmt. Verhext und zugenäht.
Und dann fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Kürzlich erst hatte sie zu mir gesagt: "Wenn ich mal nicht mehr arbeiten kann, werde ich, glaub' ich, ungenießbar." Das ist natürlich vollkommen überzogen, aber angesichts der Umstände ist mir im ersten Moment ein wenig mulmig geworden. Aber eins weiß ich: Auch wenn das ruhige Liegen für fleißige Geister wie meine Mutter eine reine Tortur ist – in Hexen verwandelt es sie keineswegs, sondern eher in eine dankbare Heldin, die es genießen darf, selbst versorgt zu werden, anstatt andere zu umsorgen. Schön, wenn man auch mal was zurückgeben kann. An dieser Stelle ein dickes Danke, was du für uns alles getan hast, Mama. Aber das mit dem Hexe-Sein, das lass lieber.
Zur Person:
- Max Meyer ist Redakteur der OM-Medien.
- Den Autor erreichen Sie unter redaktion@om-medien.de.