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Von Zeugen, Angeklagten und dem steinigen Weg zur Wahrheit

Kolumne: Recht hat, wer Recht bekommt – In diesem Fall sollte ein Steinfelder, der seit Jahren im Clinch mit der Justiz liegt, als Zeuge aussagen. Ein Rollenwechsel, der nur bedingt glückte.

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Im Leben sieht man sich immer zweimal. Mindestens. Manchen Angeklagten und auch manchen Zeugen sieht ein Gerichtsreporter wie ich nämlich deutlich häufiger. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Überraschungen geben kann.

Bereits mehrfach hatte das Vechtaer Amtsgericht mit einem Bürger aus Steinfeld zu tun, den man als Gegner der Justiz bezeichnen kann. Das betrifft nicht nur das Gericht, sondern das gesamte juristische Umfeld. Kurze Rede, langer Sinn: Der 61-Jährige war aber diesmal nicht angeklagt. Nein, er wurde aus der Haft vorgeführt und sollte als Zeuge gehört werden. Das klappte nicht, war am Ende aber auch nicht mehr erforderlich.

Seit Jahrzehnten Stammgast bei Gericht

Der Steinfelder ist seit Jahrzehnten Stammgast bei Gericht. Es gab immer mal Urteile, Berufungen, Anträge an die obersten Gerichte, aber das will ich nicht vertiefen. Ich konzentriere mich mal auf den neuesten Fall, der aber auch schon bis in das Jahr 2009 zurückreicht.

Seit der Zeit war die Insolvenz des Mannes und schließlich die Zwangsversteigerung seines Hofes immer wieder das Thema. Es gab Strafen. Jagdwaffen wurden beschlagnahmt. Es ging um Grundstücke, vor allem aber um das Anwesen. Das wurde schließlich zwangsversteigert. Gekauft hatte es dann die Partnerin des Steinfelders. Eine gute Lösung? Na ja, wenn das Umfeld ein anderes gewesen wäre, wofür die jetzige Besitzerin nichts kann.

Als die Schulden immer größer wurden, ging es amtlicherseits um eine Versteigerung, um an das fällige Geld zu kommen. Klar, dass sich der Besitzer wehrte. Im aktuellen Fall war es so, dass der vorherige Inhaber (der Ehemann) vom Amtsgericht forderte, vor der Zwangsversteigerung eine Gläubiger-Versammlung durchzuführen. Die Gläubiger, denen noch Geld vom Besitzer zustand, sollten gehört werden. Das lehnte die Rechtspflegerin, die schon gar nicht mehr im Amt ist, ab. Dagegen klagte der Besitzer bis zum obersten Gericht und unterlag. Schließlich erließ das Strafgericht des Amtsgerichtes Vechta einen Strafbefehl über 100 Tagessätze zu je 15 Euro. Der Strafbefehl wurde rechtskräftig, da kein Einspruch erfolgte.

Mitgehangen, mitgefangen: Die Inhaberin des Hofes wird zur Angeklagten

Damit war das Thema aber noch nicht erledigt. Dem Amtsgericht wurde eine Liste zugesandt von Gläubigern, die bei der Zwangsversteigerung nicht bedacht wurden. Es waren fünf Mitarbeiter, die hatten angeblich dem vorherigen Besitzer eine Liste mit Blanko-Unterschriften und ein weiteres Papier mit ihren Unterschriften übersandt, als Gläubiger anerkannt zu werden. Das hatte die jetzige Inhaberin mit unterschrieben (mitgehangen, mitgefangen) und musste sich nun vor dem Strafgericht verantworten.

Es gab fünf Anklagepunkte, drei wurden vorab schon eingestellt, blieben noch zwei. Der Rechtspflegerin, die als Zeugin aussagen musste, war das schon klar geworden. Dem Gericht wurde das auch klar. Drei dieser angeblichen Unterschreiber dementierten dies als Zeugen, auch wurden die angeblichen Unterschriften angezweifelt, alle hatten auch nie Forderungen gehabt.

Der Hauptzeuge (der vorherige Besitzer also), der aus der Haft vorgeführt wurde, verlangte einen gesetzlichen Betreuer und einen Anwalt. Der Steinfelder erklärte, er sei nicht geschäfts- und prozessfähig. Er wurde schließlich entfernt. Das Strafgericht kam mit der Staatsanwältin und der Angeklagten zu der richtigen Entscheidung und stellte die Anklage und auch die schon mal eingestellten Anklagen offiziell ein.

Das heißt nicht, dass das Gericht mit dem ursprünglichen Besitzer der Hofstelle nichts mehr zu tun bekommt. Ich bin mir sicher: Nach der Entlassung aus der Haft wird es weitergehen. 


Zur Person:

  • Klaus Esslinger ist Gerichtsreporter und war viele Jahre Lokalchef der Oldenburgischen Volkszeitung.
  • Kontakt zum Autor über: redaktion@om-medien.de.

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