Traurige Bekanntheit erfuhr Bramsche in den letzten Tagen und Wochen. Wenn man kaum mehr als 20 Kilometer entfernt von der Tuchmacherstadt im benachbarten Landkreis Osnabrück wohnt, lassen einen die erschütternden Nachrichten nicht kalt. Unfreiwillig beschäftigen einen die unbegreiflichen Gewalttaten im sonst so beschaulichen Bramsche. Was treibt Menschen nur zu solchen Taten? Es ist unbegreiflich.
Ähnlich unbegreiflich waren auch so einige Kommentare und Posts in den Weiten des Internets und der sozialen Netzwerke. Neben den sensationslüsternen „Hobby-Pseudo-Journalisten“ kam leider auch wieder die übliche Debatte zum Vorschein. Während die einen meinen, die deutsche Nationalität des vermeintlichen (!) Täters unbedingt betonen zu müssen, darf das noch wesentlich schlimmere übliche fremdenfeindliche Geschreibe selbstverständlich auch nicht fehlen. Die Tat kann schließlich nur ein Fremder verübt haben, es besteht bestimmt ein Migrationshintergrund, der deutsche Pass ist nur Zierde, der Staat und selbstredend die Medien belügen uns doch eh alle ... Es widert einen nur noch an.
Auf dem Rücken der trauernden Angehörigen haben einige Menschen scheinbar nichts Besseres in ihrem einzelligen Leben zu tun, als ihre seltsamen Überzeugungen zu verbreiten. Wen bitte interessiert das in der Situation? Natürlich haben Staatsanwaltschaft, Polizei und wir Medien den Auftrag, alle relevanten Details der Schreckenstaten zu benennen, worunter auch die Nationalität des Täters fällt. Mir persönlich ist diese im Moment der Schreckensmeldung aber völlig gleich. Menschen nach Nationalitäten zu beurteilen, ist ohnehin eine der albernsten Dinge, die ich mir vorstellen kann.
"Lasst unsere Einsatzkräfte ihre Arbeit machen, lasst seriöse Journalisten und Nachrichtenplattformen ihre Arbeit machen, wartet, bis bestimmte Details bestätigt und veröffentlicht sind."Steffen Oevermann
Aber natürlich darf und muss man in der politischen Debatte über Themen wie Kriminalität, Migrations- und Integrationspolitik und mögliche Zusammenhänge diskutieren – genauso wie über Fremdenfeindlichkeit oder den zunehmenden Antisemitismus im Übrigen. Da Details zu verschweigen oder überzubetonen, weil sie besser zu der eigenen Gedankenwelt passen, schadet jeder sachlich notwendigen Diskussion. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, auch wenn das vieles in der Erklärung vereinfachen würde. Das Erhaschen von Aufmerksamkeit ist in dem Muster der Einfachheit aber leider erfolgreich.
In dem Moment der ersten Schreckensmeldungen sind solche Diskussionen aber nur eines – völlig deplatziert. Lasst unsere Einsatzkräfte ihre Arbeit machen, lasst seriöse Journalisten und Nachrichtenplattformen ihre Arbeit machen, wartet bis bestimmte Details bestätigt und veröffentlicht sind. Wir haben nicht ohne Grund einen Opfer- sowie auch Täterschutz (!) im Pressekodex verankert. Daran hält sich bedauerlicherweise aber schon der Boulevard-Journalismus nur in einem sehr begrenzten Umfang. Es ist einfach nur traurig, wenn die Polizei vor Falschmeldungen, Gerüchten und einer Hetzjagd des vermeintlichen Täters im Internet warnen muss, obwohl es im heutigen Zeitalter so einfach wäre, an seriöse Informationen zu gelangen.
Auch danach kann sich jeder seine Meinung bilden – und wenn nötig darüber austauschen. Ob das öffentlich sichtbar sein muss, ist wiederum ein anderes Thema. Für persönlich Betroffene und Angehörige ist es schon grausam genug, es muss nicht noch unerträglicher gemacht werden. Man kann ihnen nur viel Kraft in dieser schwierigen Zeit wünschen.
Zur Person:
- Steffen Oevermann ist Volontär der OM-Medien.
- Sie erreichen den Autor per E-Mail unter redaktion@om-medien.de.