Vom Clickbait und dem Sterberisiko
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Beim Surfen im Internet bin ich mal wieder dem Clickbait zum Opfer gefallen. Denn Halbwahrheiten machen auch vor einer Harvard-Studie nicht Halt.
Meike Wienken | 10.05.2023
Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Beim Surfen im Internet bin ich mal wieder dem Clickbait zum Opfer gefallen. Denn Halbwahrheiten machen auch vor einer Harvard-Studie nicht Halt.
Meike Wienken | 10.05.2023
"Wer auf Kohlenhydrate verzichtet, erhöht das eigene Sterberisiko". Über diesen Satz bin ich erst einmal gestolpert beim Surfen durchs Netz. Also sind Low-Carb-Diäten nun doch kein empfohlener Weg, um sich gesünder zu fühlen oder um ein wenig abzunehmen? Falls es sich um Clickbait handelt, muss ich zugeben, es funktioniert. Meine Neugier ist geweckt, denn ich möchte wissen, was die neueste Harvard-Studie angeblich zutage gebracht hat. Muss ich also doch nicht mehr verzichten oder mit schlechtem Gewissen vermeintlich ungesunde Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Kartoffeln zu mir nehmen? Denn bei einer Low-Carb-Diät müsste ich vornehmlich Proteine und fettreiche Nahrungsmittel zu mir nehmen. Laut Harvard-Studie, die im Fachmagazin "Journal of Internal Medicine" veröffentlicht wurde, könne die Low-Carb-Ernährung das Sterberisiko um 38 Prozent erhöhen. Als die Untersuchung dafür 1995 startete, waren die Teilnehmer zwischen 50 und 71 Jahre alt. Dabei suchten die Forscher vor allem nach Zusammenhängen zwischen Ernährung und Lebenserwartung. Die Untersuchung habe gezeigt, dass Menschen mit einer kohlenhydratarmen und fettreichen Ernährung früher starben, als diejenigen, die sich fettarm ernährten. Okay, aber spricht das jetzt für kohlenhydrathaltiges Essen oder hat jemand unterstellt, dass eine Studie konkrete Aussagen zum Ursache-Wirkungs-Prinzip machen kann? Denn nur weil es einen statistischen Zusammenhang, also eine Korrelation, zwischen dem Sterberisiko eines Menschen und einer kohlenhydratarmen Ernährung gibt, heißt das nicht automatisch, dass der Verzicht auf Kohlenhydrate auch die Ursache ist. Denn laut Studie zeigte sich auch, dass eine gesunde Low-Carb-Diät, mit vornehmlich ungesättigten Fettsäuren und pflanzlichen Proteinen, die Lebenserwartung positiv beeinflussen kann. Die Wissenschaftler resümieren daher, dass eine fettarme Diät in jedem Fall die gesündere Option ist. Mit anderen Worten, nicht der Verzicht oder die Menge an Kohlenhydraten ist ausschlaggebend für die Gesundheit, sondern welche Fette dem Körper zugeführt werden. Na toll, also bin ich wohl doch wieder dem Clickbait zum Opfer gefallen. Es wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Und wieder gilt das Prinzip: Traue keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast. Um nicht vollständig meine Zeit verschwendet zu haben, lese ich weiter. Irgendeine neue Erkenntnis muss die Untersuchung doch liefern. Und tatsächlich: "Diese Lebensmittel können das Leben verlängern" verspricht mir der nächste Abschnitt. Der Studie zufolge gehören für die Forscher vor allem viel frisches Obst und Gemüse, mageres Fleisch, Fisch, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Olivenöl dazu. Fette und Transfette, wie etwa in rotem Fleisch, Wurst, Butter, Käse, Vollmilch sowie stark verarbeiteten und frittierten Produkten hätten hingegen einen lebensverkürzenden Effekt. Okay, für diese Erkenntnis hätte es wohl keine neue Studie gebraucht. Vielleicht sollte ich mir daher angewöhnen, nicht gleich jeder Überschrift meine Aufmerksamkeit zu schenken. Das verlängert vielleicht nicht das eigene Leben, aber es schenkt mir mehr Zeit."Und wieder gilt das Prinzip: Traue keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast."Meike Wienken
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