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Punker gegen E-Scooter

Kolumne: Die Generation Z zeigt's Ihnen – E-Scooter sind nicht jedermanns Sache. Aber muss man deshalb Leute anpöbeln, die damit unterwegs sind?

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Ich stehe inmitten einer brodelnden Menschenmenge. Umgeben von schwarz gekleideten Punks, lauten Gitarrenklängen und harten Bässen. Die Energie ist elektrisierend, als der Frontmann der Band das Mikrofon ergreift. "Den nächsten Song möchte ich mit etwas ankündigen, was mir letztens passiert ist", ruft er in die johlende Masse hinein. Die Leute beruhigen sich langsam und nehmen noch ein paar kräftige Schlucke aus ihren Bierbechern, bevor sie ihre Aufmerksamkeit dem Leadsänger zuwenden. Na da sind wir aber mal gespannt.

Und was ihm da letztens widerfahren ist, ist kaum zu glauben: Der Frontmann war mit seinem Fahrrad unterwegs. Als er so friedlich rumradelte, erblickte er etwas ganz und gar scheußliches: einen E-Scooter-Fahrer. Damit nicht genug, dieser E-Scooter-Fahrer wollte doch allen Ernstes sein Gefährt an einem Fahrradständer abstellen! So geht's ja nun mal nicht! Voller Elan trat unser Protagonist heftig in die Pedale und steuerte direkt auf den dreisten Strolch zu. "Hey, verpiss dich mit dem Drecks-E-Roller", schrie der Frontmann. Direkt nahm der Frechdachs Reißaus und der Sänger konnte zufrieden seine Fahrt fortsetzen.

Die Menge jubelt und johlt, als die ersten Klänge des neuen Songs ertönen. Ich halte einen Moment inne, während um mich herum eine wilde Pogerei entbrennt. Warum wird ein solches Verhalten gefeiert? Klar, E-Scooter sind nicht jedermanns Sache, aber ist es nicht etwas übertrieben, wegen einer solchen Banalität so die Beherrschung zu verlieren? Ich blicke nach links, nach rechts, vor mir und hinter mir – ich scheine der einzige zu sein, der die Anekdote auch nur ansatzweise hinterfragt.

"Vielleicht spielt der Frontmann nicht nur hervorragend die Gitarre, sondern auch hervorragend eine Rolle – die des rebellischen Punkers, der bewusst aneckt."Julian Röben

Vielleicht bin ich auch einfach zu nüchtern für eine solche Geschichte. Wer weiß, wenn ich mir vorher das eine oder andere Bier reingelötet hätte, wäre ich vielleicht auch in hysterische Ekstase gefallen.

Mit einem leider viel zu geringen Blutalkoholwert sehe ich mich nun also hilflos meinen Gedanken ausgesetzt. Vielleicht spielt der Frontmann nicht nur hervorragend die Gitarre, sondern auch hervorragend eine Rolle – die des rebellischen Punkers, der bewusst aneckt. Der Punkrock stand schließlich schon immer für provozierende Aussagen und ein Verhalten wider der Norm. Trotzdem bleibe ich mit einem verwirrten und unbehaglichen Gefühl zurück.

Der Ansatz könnte allerdings auch die Reaktion des Publikums erklären: Vielleicht sieht es in der Band ein Sprachrohr für den eigenen kleinen Rebellen in sich drin. Vielleicht ist das alles aber auch reiner Humbug. Vielleicht sollte ich nicht so viele Gedanken auf so eine kleine Anekdote verschwenden. Vielleicht sollte ich beim nächsten Konzertbesuch einfach Alkohol trinken.


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