Petra Bruns rettet in Not geratene Igel
Die Langfördenerin betreibt eine Auffangstation für verwaiste, kranke oder verletzte Tiere. Das Aufpeppeln und Versorgen ist für sie dabei längst ein Fulltime-Job.
Jonas Seelhorst | 24.08.2023
Die Langfördenerin betreibt eine Auffangstation für verwaiste, kranke oder verletzte Tiere. Das Aufpeppeln und Versorgen ist für sie dabei längst ein Fulltime-Job.
Jonas Seelhorst | 24.08.2023
Fütterungszeit: Petra Bruns mit einem Jungigel. Nach 12 bis 14 Tagen sind die Augen bereits geöffnet. Sie können bis zu 10 Gramm pro Tag zunehmen – in 6 Wochen sollen sie selbstständig sein. Foto: Seelhorst
Neun Erwachsene, darunter zwei Mütter mit sechs Babys und zehn verwaiste Jungtiere: Dies ist der aktuelle Bestand der Igelhilfe von Petra Bruns. "Meinen ersten Igel hatte ich mit 8 Jahren", erzählt sie. Ihr Vater habe ihr damals gezeigt, wie man ihn richtig versorgt. Seitdem hat es sich die Langfördenerin zur Aufgabe gemacht, verletzten, erkrankten oder hilflosen Igeln, die bei ihr abgegeben werden, wieder zurück ins Leben zu helfen oder es ihnen überhaupt erst zu ermöglichen. Erst am Freitag wurden zwei neue Jungtiere zu ihr gebracht. Deren Nest wurde bei Gartenarbeiten zerstört – sie wären die einzigen Überlebenden gewesen. Die unbeholfenen Jungtiere hätten alleine keine Überlebenschance, weiß Bruns. So sind sie nicht einmal in der Lage, ohne vorherige Reize der Mutter zu urinieren oder zu koten. Dieser Anreiz muss vor dem Füttern und danach erfolgen. Bei aufgefundenen Igelbabys zählt jede Minute, deshalb sagt Bruns immer: "sofort herbringen!" Außerdem gelte immer das erste Gebot "warm halten", wenn man einen Igel findet, informiert Bruns. Dafür hat sie einen speziellen Brutkasten, der die Kleinen warm hält. Dieser befindet sich im Aufzuchtzimmer, welches Bruns extra dafür hergerichtet hat. Hier reihen sich Igelbehausungen aneinander, es ist das Herzstück der Igelstation. So wird jeder der Neuankömmlinge zunächst einem Gesundheitscheck unterzogen. Da kommt mit der Zeit ganz schön was zusammen. 2022 hatte Bruns Ausgaben von rund 4780 Euro – 2000 Euro alleine für Futterkosten – gehabt. Hinzu kommen Arztbesuche, Pflegemittel, Medikamente und vieles mehr – Strom, Wasser und die Fahrtkosten zu Einsätzen nicht mitgezählt. So war Bruns auch schon mehrere Stunden nachts im Zitadellenpark, um mit einer Taschenlampe Igeljunge zu suchen, erzählt sie. Hier wäre eine Wärmebildkamera sehr sinnvoll gewesen. Doch der Aufwand habe sich gelohnt. Durch ihre Arbeit konnte Bruns im selben Jahr insgesamt 73 Igel durchbringen, darunter 15 Babys. Besonders diese würden eine intensive Betreuung benötigen. Sie müssen alle 2 Stunden gefüttert werden – rund um die Uhr. Dafür nutzt Bruns eine spezielle Aufzuchtmilch, dieser Milch muss Laktase und etwas gegen Blähungen beigemischt werden. Igel vertragen keine Laktose. Ebenso wenig Getreide, Nüsse, Haferflocken oder Obst und Gemüse. Der Igel ist ein reiner Fleischfresser. Falsche Nahrung könne zu ernsthaften Komplikationen führen, warnt Bruns. Was allerdings immer ginge: "Wenn man einen Igel findet, macht man ein Rührei ohne Gewürze oder ein gekochtes Ei." Der Igel ist eines unserer ältesten Urtiere. Schon seit etwa 57 Millionen Jahren wandelt er auf diesem Planeten, klärt Bruns auf. Doch die Population der geschützten Säuger sinke stetig. Früher hatten Mütter fünf bis acht Junge, jetzt sind es mittlerweile nur noch drei bis fünf – mehr können nicht ernährt werden. So werde auch irrtümlich geglaubt, Igel fressen Schnecken. Dabei ist dies in Wahrheit nur ein verzweifelter Versuch, nicht zu verhungern. "Wenn der Mensch so weitermacht, werden wir den Igel in 15 Jahren im Zoo bewundern", malt sich Bruns die Zukunft aus. Besonders das Insektensterben mache ihm zu schaffen. Der Igel braucht das Chitin der Panzer, dies ist essenziell für seine Darmgesundheit. Eine weitere große Gefahr ist leider auch der Mensch. Gerade in dieser Zeit sei es wichtig – sogar unbedingt nötig – vorsichtig im Garten vorzugehen und schweres Gerät so gut es geht zu vermeiden. Igel nehmen die Geräusche zwar wahr und erkennen diese auch als Gefahr, doch sie fliehen nicht. Stattdessen rollen sie sich ein und bleiben im Gefahrenbereich. Vor allem Mähroboter "machen dem Igel den Garaus", sagt Bruns. Vor 2 Wochen erst hatte sie wieder einen Igel, der von so einer Maschine skalpiert wurde. Auch der Tierarzt konnte hier nichts mehr tun und musste den Igel erlösen. Auch Schnittwunden oder fehlende Gliedmaßen enden häufig tödlich. Helfen würde nach Bruns schon, den Roboter nicht vor 9 und nicht nach 16 Uhr laufen zu lassen. Das minimiert Risiken, sich mit der aktiven Zeit der Igel zu überschneiden. "Der Igel wird kaum wahrgenommen." Bruns vermutet seine Nachtaktivität dahinter: "Dabei wäre es so einfach." Katzenfutter mit 60 Prozent Fleischanteil ohne Gelee und Sauce sei gut als Futter geeignet. Angst vor dem Verwöhnen muss man nicht haben. Der Igel bevorzuge weiterhin die natürliche Nahrung. Dass Igel Krankheitsüberträger seien, ist ein Gerücht. Parasitenträger ja, aber diese sind igelspezifisch. Deshalb sollte man ihm auch niemals "Spot on" oder andere Anti-Insekten Mittel geben. Dies ist ein Nervengift für Igel. Laubdecken in einer Ecke des Gartens oder Benjeshecken wären toll für den Winter geeignet. Diese sollten dann aber auch nicht schon im März weggemacht werden. Auch helfe ein Loch im Zaun (10 mal 10 Zentimeter), damit der Igel zwischen den Grundstücken/Gärten reisen kann. Laubhaufen mit Moos sind oft Anzeichen für Nester. Diese sollten dann da belassen werden. Um noch bessere Aufklärungsarbeit leisten zu können, hat Bruns im März dieses Jahres zusätzlich mit Gleichgesinnten den Verein "Igelhilfe und Animal Friends Langförden" gegründet. "Unser Bestreben ist es, die Menschen für die Flora und Fauna zu sensibilisieren", schildert Bruns. Dafür bieten sie auch verschiedene Programmpunkte an. Beispielsweise einen Vortrag über die Rehkitzrettung per Drohne. Das Hauptaugenmerk liege jedoch weiterhin auf dem Igel. Kommende Veranstaltungen sind ein Malkurs für Kinder sowie ein Kurs zum Thema "Wie baue ich ein Bienenhotel?" Die Mitglieder helfen auch bei der Pflege der Igel mit – zudem erfahren sie oft Hilfe aus der Umgebung, bedankt sich Bruns.Ausgaben im vergangenen Jahr: 4780 Euro
Igel ist eines unserer ältesten Urtiere
Neu gegründeter Verein möchte aufklären
Info:
Das neue E-Paper ist da: Mit einem deutlich besseren Lesekomfort inkl. Vorlesefunktion, täglichen Rätseln und einer Audiothek. Ab sofort erhältlich unter mein.om-online.de oder im App-Store bzw. Google-Playstore.