Neue Schulpartnerschaft: Löninger bringen ihren Besuch gleich mit
Vor 60 Jahren unterschrieben Deutsche und Franzosen den Élysée-Vertrag. Die darin vereinbarte Freundschaft zwischen beiden Ländern füllen nicht zuletzt Schüleraustausche mit Leben.
Gemeinsamer Geschichtsunterricht: 16 Jugendliche aus Frankreich sind gemeinsam mit ihren Lehrerinnen nach Löningen gekommen. Foto: G. Meyer
Im Klassenraum herrscht Arbeitsatmosphäre. Mehr als 30 Jugendliche beugen sich über ihre Tablets oder schreiben konzentriert etwas auf. Gemurmelt wird in drei Sprachen: Deutsch, Französisch und Englisch. Ab und an geht ein Finger hoch. Dann eilt Aline Martin zur Hilfe.
Madame Martin ist eine von zwei Lehrerinnen, die sich gemeinsam mit 16 Schülerinnen und Schülern des Collége Charles Péguy nach Löningen aufgemacht haben, um das Leben in Deutschland kennenzulernen. Im vergangenen Jahr hatte das Copernicus-Gymnasium die Partnerschaft mit der nah bei Paris gelegenen Schule vereinbart. Vergangene Woche war die erste Schülergruppe aus Löningen in die Gemeinde Verneuil l`Ètang gereist. Auf der Rückfahrt nahm sie den Gegenbesuch gleich mit.
In Frankreich hatten die jungen Löninger in den Familien ihrer Mitschüler gewohnt. Die nur eine Autostunde entfernte Hauptstadt stand natürlich auch auf dem Programm. Besucht wurden das Pariser Shoah-Museum und eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg. "Wir haben uns viel mit der deutsch-französischen Geschichte beschäftigt", berichtet Caroline Renschen. Die Französischlehrerin organisiert den Austausch für das CGL. Dass die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem von gegenseitiger Feindschaft geprägt war, sei allen Jugendlichen bewusst geworden. Im Copernicus-Gymnasium beschäftigten sie sich am Montag mit dem Leben von Anne Frank. Außerdem besichtigen sie im Laufe der Woche den sogenannten Gestapo-Keller im Osnabrücker Schloss. Viel düstere Geschichte auf einmal also. Für die notwendige Entspannung sorgt unter anderem eine Fotosafari durch Löningen.
Französische Schüler wählen nur selten Deutsch
Ihre Neuntklässler lernten seit 4 Jahren Deutsch, erzählt Aline Martin. Damit gehören sie inzwischen einer Minderheit an, denn die Sprache des östlichen Nachbarn zieht bei jungen Franzosen immer weniger. Martin kann das bestätigen. "Die meisten Kinder wählen Spanisch, weil ihnen Deutsch zu schwer ist." Für die Lehrerin hat das konkrete Folgen. Um auf ihr vorgeschriebenes Stundenkonto zu kommen, muss sie an gleich zwei Schulen unterrichten. Im ganzen Land machten ihre Kollegen das so, weiß sie. Eine Ausnahme bilde nur das Elsass, wo der Deutschunterricht im Lehrplan vorgeschrieben ist. Auf der anderen Rheinseite müssen sich die Schüler bei der Wahl einer zweiten Fremdsprache in der Regel zwischen Französisch und Latein entscheiden. Die Sprache der alten Römer erweist sich nach wie vor als starke Konkurrenz. "Wir liefern uns jedes Jahr einen regelrechten Wettbewerb um die Köpfe", bestätigt Caroline Renschen.
Imposante Kulisse: Die Schülergruppe des CGL besuchte auch das Schloss Fontainebleau, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Foto: Renschen
Der Rückgang des gegenseitigen Sprachinteresses hat inzwischen auch die Politik auf den Plan gerufen. Bei einer gemeinsamen Arbeitssitzung des Deutschen Bundestages und der Assemblée nationale anlässlich des 60. Jubiläums der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages wies Bundestagspräsidentin Bärbel Bas auf die besorgniserregende Entwicklung hin. Es sei ihr daher ein Anliegen, verstärkt Französischunterricht in Deutschland und Deutschunterricht in Frankreich zu fördern. „Sprache ist der Schlüssel für Verständigung“, betonte Bas. Der französische Abgeordnete Hadrien Clouet berichtete, dass 1985 noch ein Viertel aller Schüler die jeweils andere Sprache gelernt hätte. Heute sei die Zahl deutlich geringer. Mehr als die Hälfte der Stellen für Lehrer der jeweils anderen Sprache sei außerdem nicht besetzt. Hier gelte es anzusetzen.
Am Freitag reisen die jungen Franzosen wieder ab. Für das Collége ist der Austausch mit dem CGL die bislang einzige Schulpartnerschaft. Aline Martin freut sich über ihr Zustandekommen und hofft, dass sich die Kontakte weiter intensivieren. Die Schüler sollten sich künftig aber nicht nur mit den dunklen Kapiteln der gemeinsamen Geschichte beschäftigen, sondern auch das Positive aus 6 Jahrzehnten deutsch-französischer Freundschaft vermittelt bekommen. "Denn davon gibt es sehr viel", findet die Lehrerin.