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Mutmaßungen über den Prigoschin in uns

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – In der Welt der Putins und Prigoschins fehlen die Chefsekretärinnen. Nur sie könnten den Alphatieren Einhalt gebieten.

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Es war eine dieser schwül-warmen Nächte. Ich wälzte mich im Bett nach links, dann wieder nach rechts; kurz gesagt also hin und her, ohne in den ersehnten Tiefschlaf zu gelangen. Außerdem war ja auch noch unlängst ein gewisser Herr Prigoschin auf Putin zumarschiert. Die Weltlage kumulierte im Kopf zu einer breiigen Masse.

Hätte ich an Prigoschins Stelle genauso reagiert? Oder, besser noch, wäre die Welt heute eine andere, wenn ich in meinem früheren Leben auch so mutig gegen den Chef aufgestanden wäre? Ein Marsch, die Treppen hinauf ins „Heiligtum“, bewaffnet mit gespitztem Stift und der Kraft des Geistes; bereit, den freien Journalismus bis aufs Blut zu verteidigen – oder zumindest einmal den Frust über so manche Unzulänglichkeiten loszuwerden?

Müßig, darüber nachzudenken. Natürlich wäre ich im Vorzimmer gestrandet. Die überaus charmante Chefsekretärin hätte sofort den Braten gerochen: „Ah, schön, dass Du kommst. Ich wollte ohnehin gerade … soll ich Dir einen Cappuccino machen?“ Ich stecke den Stift ein. Sollte man nicht doch in Ruhe noch mal einen Kaffee trinken …?

Ja, ich bin überzeugt: In der männerzentrierten Welt der Prigoschins und Putins fehlen die Chefsekretärinnen, die die Alphatiere vom größten Blödsinn abhalten. „Wladi, willst Du Dir das nicht noch einmal überlegen?“, hätte es dann geheißen: „Auch in der Ukraine leben Mütter, die Angst um ihre Söhne haben! Und Russland ist doch auch so ganz schön. Geh‘ doch noch einmal zum Abkühlen eine Runde um den Kreml!“

"In der männerzentrierten Welt der Prigoschins und Putins fehlen die Chefsekretärinnen, die die Alphatiere vom größten Blödsinn abhalten."Andreas Kathe

Putin hätte dann mit sich gerungen, Prigoschin zu sich gerufen und ihn gefragt: „Was hat Dir Irina, Deine Chefsekretärin, geraten?“ Gemeinsam hätten sie bei Cappuccino und Wodka den bösen Westen verflucht und beschlossen, Trump wieder zum amerikanischen Präsidenten zu machen. Damit waren dann auch die Sekretärinnen einverstanden.

Die Welt also wäre eine bessere – und mein Schlaf ebenso, denn schwüle Hitze und ein durchmatschtes Gehirn sind keine gute Kombination, um zielsicher die Weltlage zu interpretieren. Da gerät manches durcheinander und man sieht durch den wattierten Nebel plötzlich Russlands Putin, Weißrusslands Präsident Lukaschenko, Prigoschin und Ungarns Orban gemeinsam Kasatschok tanzen. Im Background wippen von der Leyen, Baerbock und Italiens Meloni einträchtig zum Takt.

„Man muss diesem Wahnsinn entkommen“, flüstere ich leise vor mich hin. „Du sagst es“, antwortet die beste Ehefrau von allen, die sich neben mir aufrichtet: „Ich muss aber heute erst noch einmal mit meiner Chefin reden.“ „Ja“, sage ich, „nimm aber den Umweg durch das Vorzimmer!“


Zur Person:

  • Der Journalist Andreas Kathe lebt in Dinklage. Lange Jahre war er Redakteur und Redaktionsleiter der OV.
  • Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.

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