Mit Kinderwagen, aber ohne Kind zum Einkaufen
Kolumne: Recht hat, wer Recht bekommt – Eine Frau bedient sich im Supermarkt immer wieder, ohne zu bezahlen. Doch das Geschäft hat in die Sicherheit investiert.
Klaus Esslinger | 19.03.2023
Kolumne: Recht hat, wer Recht bekommt – Eine Frau bedient sich im Supermarkt immer wieder, ohne zu bezahlen. Doch das Geschäft hat in die Sicherheit investiert.
Klaus Esslinger | 19.03.2023
Unter dem Stichwort "Ladendiebstahl" kann man sich viel vorstellen. Heute habe ich dazu aber eine besondere Geschichte für Sie: Eine Frau hatte sich laut Terminzettel vor dem Strafgericht zu verantworten. Im E-Center Lohne soll sie sich bedient haben. Wie? Sie soll einen Kinderwagen bei sich gehabt haben; ohne Kind natürlich, aber mit viel Platz und einem Tuch als Sichtschutz. Zum Termin war eine 39-jährige Frau aus Wildeshausen geladen, die aber kam nicht. Die Strafrichterin machte einen neuen Termin und erließ einen Haftbefehl. Das half. Die 39-Jährige traf sich mit einer Verteidigerin beim Amtsgericht in Wildeshausen und durfte auf Anweisung der Polizei nach Vechta fahren. Zum Anklagevorwurf: Am 14. Juni 2022 fuhr die Frau in den Supermarkt. Sie nahm für 826 Euro nur alkoholische Getränke der oberen Preislage mit und verließ den Laden durch den Getränkemarkt, ohne zu bezahlen. Die ungewöhnliche Beute wurde schnell vermisst. Die Beschäftigten des Marktes schauten sich ihre Videos an. Ihr Eindruck: Eine Frau, die einen Kinderwagen bei sich hatte, könnte die Täterin gewesen sein. Am 27. Juni kam die Wildeshauserin wieder in den Markt – in Begleitung einer zweiten Frau. Sie hatte ihren Kinderwagen dabei und nahm wieder nur Alkoholika mit. Der Wert der Ware: 605,33 Euro. Jetzt wussten die Experten im Markt endgültig, wo und wie das Ganze abgelaufen sein dürfte. Am 30. Juli dann tauchte die spätere Angeklagte ein drittes Mal mit dem Kinderwagen auf. Was folgte, ist bekannt. Nur, dass in diesem Fall nicht nur die Kamera zuschaute, sondern auch Menschen. „Eingekauft“ wurde diesmal für 528,61 Euro. Die Ware blieb aber im Markt, die Frau wurde gestellt und sie räumte auch alles ein. Das war auch vor Gericht so. Zunächst wollte sie nicht damit heraus, wer die Helferin bei dem einen Einkauf war, aber auf Rat der Verteidigerin nannte sie auch „Ross und Reiterin“. Die Angeklagte, Mutter von drei Kindern, zwei davon noch klein, legte ein volles Geständnis ab. Sie habe die Alkoholika an einen Nachbarn für den halben Preis verkauft. Wahrscheinlich wohl wissend, dass das Gericht mehr wusste. Insgesamt 18 Vorstrafen, alle wegen Diebstahls, wurden verlesen, darunter eine Reihe von Freiheitsstrafen auf Bewährung. Einige Verfahren kommen noch auf die Frau zu, wie die Strafrichterin wusste. Die Angeklagte beteuerte, dass jetzt Schluss mit den Diebstählen sei. Sie sei Busfahrerin und ausgebildete Pflegerin, das wolle sie wieder machen. Sie habe früher Drogen konsumiert und einen falschen Freund gehabt. Das ändere sich jetzt. Die Staatsanwältin zeigte sich milde und beantragte eine 10-monatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Das kam der Verteidigerin entgegen, auch sie plädierte für eine Bewährung. Die Richterin verurteilte die Frau schließlich zu einer 8-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung, 80 Stunden gemeinnützige Arbeit und die Einziehung von 1424 Euro. Der letzte „Einkauf“ war ja im Laden geblieben. Erstaunt waren alle Beteiligten über die guten Videoaufnahmen im Markt. 70 Kameras und 250.000 Euro in die Sicherheit investiert, so der Zeuge. Wird sich vielleicht in den entsprechenden Kreisen herumsprechen.Gleiches Spiel, nur diesmal schaute nicht nur die Kamera zu.Klaus Esslinger
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