Mit Jesus im Taxi
Kolumne: Auf ein Wort – Die positive Botschaft des Glaubens ist nicht immer offensichtlich. Das wäre zu einfach. Manchmal müssen wir uns erinnern, wach zu werden – und uns anregen lassen.
Dr. Marc Röbel | 02.05.2023
Kolumne: Auf ein Wort – Die positive Botschaft des Glaubens ist nicht immer offensichtlich. Das wäre zu einfach. Manchmal müssen wir uns erinnern, wach zu werden – und uns anregen lassen.
Dr. Marc Röbel | 02.05.2023
Taxifahrten können ein Erlebnis sein. Mit Taxifahrern lässt sich über Land und Leute reden, über Gott und die Welt. Das heißt: Nicht so ganz! Von Gott zu reden, ist nicht so einfach. So ist es in den 90er-Jahren Dorothee Sölle ergangen, auf einer langen Taxifahrt durch Berlin. Der mürrische Taxifahrer wollte eigentlich überhaupt nicht reden. Aber irgendwann schafft die berühmte evangelische Theologin es doch, dem jungen Mann die Zunge zu lockern. Und da bricht seine ganze Bitterkeit aus ihm heraus. Aber die Theologin macht noch einen letzten Versuch. Etwas Positives muss es doch geben. Sie versucht es so: „Und Ihr Kind? fragte ich plötzlich, als müsste sich doch irgendwo ein Stück Gott verstecken.“ Aber der junge Mann zuckt nur mit den Schultern. Diese Taxifahrt hat Dorothee Sölle noch lange beschäftigt. Sie überlegt: Ich bin doch als christliche Theologin mit einer starken Botschaft unterwegs. Warum dringt das positive Licht der Botschaft nicht zu den anderen durch? Dorothee Sölle ist fast auf den Tag genau vor 20 Jahren verstorben. Sie war eine theologische Rebellin, eine Friedensaktivistin und Feministin, aber auch eine wortsensible gottsuchende Poetin. Ihre Bücher tragen Titel wie „Atheistisch an Gott glauben“, „Gott im Müll“ oder „Das Eis der Seele spalten“. Solche Wortverbindungen machen deutlich: Die christliche Botschaft ist mehr als das fromme Sahnehäubchen auf einer Festtagstorte. Spiritualität sollte wie ein Wecker sein, nicht wie ein Schlafmittel. In jedem Gottesdienst, bei einer Morgenandacht im Radio oder beim Lesen dieser Kolumne könnte die Frage helfen: Gibt es hier einen Gedanken, der mich persönlich anspricht, mich anregt oder vielleicht sogar aufregt? Wohin könnte mich diese Aufregung führen? Zum Schlafmittel werden Bibelverse, wenn wir sie nur als harmlose Geschichten aus einer längst vergangenen Welt hören. Unsere Kirchen brauchen aufgeweckte, wache Christen und Christinnen. Dabei kann Dorothee Sölle uns mit ihrer Theologie, aber auch mit ihrer Poesie helfen. Ein geistlicher Wecker, der auch Dorothee Sölle gefallen hätte, ist die kleine Jugenderinnerung eines evangelischen Pfarrers: Als junger Mann hat er einen Bauarbeiter nach der Uhrzeit gefragt. Der hat flapsig geantwortet: „Woher soll ich das wissen? Bin ich Jesus?“ Der Pfarrer hat seine müde Reaktion im Nachhinein sehr bedauert. Er sagt es so: „Leider war ich damals noch nicht schlagfertig genug, sonst hätte ich erwidert: „Natürlich sind Sie Jesus! Machen Sie sich doch nicht kleiner als Sie sind! Stellen Sie sich einmal vor: Sie und Ihre Frau und Ihr Chef – sie sind Jesus. Was würde sich ändern, auf dieser Erde! Es steckt doch etwas in uns, das größer ist als wir.“ Unser Aufwachen kann heute beginnen. Wer weiß, wohin die nächste Taxifahrt uns dann führen kann."Die christliche Botschaft ist mehr als das fromme Sahnehäubchen auf einer Festtagstorte. Spiritualität sollte wie ein Wecker sein, nicht wie ein Schlafmittel."Pfarrer Dr. Marc Röbel
Zur Peson:
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