Der Garten als Therapie-Raum: Das ist prinzipiell nicht ganz neu, man findet ihn in therapeutischen Einrichtungen ebenso wie in Seniorenzentren. Den privaten Garten entsprechend zu gestalten beziehungsweise umzugestalten, das ist in der Region noch kein verbreiteter Ansatz. Tony und Gabriele Haske sind tief in die Materie eingetaucht und haben sich in einer einjährigen Fortbildung in Erfurt zu Gartentherapeuten weitergebildet.
Das Duo aus Emstek könnte sich hier kaum besser ergänzen. Tony Haske ist Gärtnermeister mit vielen Jahren Berufserfahrung, seine Frau Gabriele hat Sozialpädagogik studiert, ist NLP Master und Systemische Beraterin. Sie arbeitet für das Jugendamt im Landkreis Cloppenburg sowie in der privaten psychosozialen Lebensberatung.
Welche Bedeutung der eigene Garten hat, wurde nicht zuletzt in der Corona-Pandemie deutlich. Während der Einzelhandel seine Türen schließen musste, blieben die Gartencenter geöffnet. Das war im Lockdown nicht nur ein Zeitvertreib, es war auch eine Art Therapie, sich einen Wohlfühlbereich zu schaffen. Nicht nur Pflanzen wurden angeschafft, auch neue Möbel und der Gasgrill.
Leben heißt Veränderung
Für viele war es aber auch schon zuvor ein Hobby, das leidenschaftlich gerne auch mit dem Partner betrieben wurde. Im Alter aber verändern sich die Dinge. Vielleicht, weil der Ehemann verstorben ist und der Witwe die körperliche Arbeit zu schwer wird, vielleicht aber auch, weil die Kräfte für den kompletten Obst- und Gemüsegarten nicht mehr ausreichen. Eine Zwickmühle, denn die herabgefallenen Äpfel verfaulen zu sehen, schmerzt das Gärtnerherz ebenso, wie die Einebnung kompletter Beete, auf denen dann Rasen eingesät wird.
"Die Kinder sehen das als Entlastung für die Mutter, doch es gibt auch Möglichkeiten dazwischen", meint Tony Haske. "Es muss nicht immer ,entweder – oder' sein, doch dafür fehlt vielen Besitzern der Blick." Die Bereiche können verkleinert werden, Barrieren werden eliminiert. Hochbeete können die Arbeit ebenfalls erleichtern. "Oder man öffnet seinen Garten für Nachbarn, die gerne ihr eigenes Gemüse ziehen wollen, aber selber nicht die Möglichkeit haben", ergänzt Gabriele Haske. Wenn es viele Apfelbäume hinter dem Haus gibt, warum dann nicht ein Apfelfest mit der Familie und Freunden im Herbst feiern? Das stärkt die sozialen Kontakte, "und schon das Schreiben der Einladungen dafür hat therapeutische Wirkung".
Die Gründe für eine Gartentherapie sind vielfältig
Die Gründe, warum man einen Gartentherapeuten kontaktiert, können unterschiedlich sein. Ein Kunde ist an Multipler Sklerose erkrankt und seit Jahren in einem Teil seines Gartens nicht mehr gewesen, weil der für ihn schlichtweg nicht mehr erreichbar war. Das Areal barrierefrei zu gestalten, war der erste Ansatz für Tony Haske. "Man muss sich Schritt für Schritt dem Ziel nähern und gemeinsam Ideen entwickeln." In anderen Fällen kann die Arbeit mit Erde und Pflanzen nach einem Schlaganfall förderlich sein. Gabriele Haske: "Es ist als Ergänzung eine Mischung aus Ergo- und Physiotherapie."
Einigen Familien ist es wichtig, Kinder in die Natur zu holen. "Vielen Eltern fehlen die Ideen, auch wenn ihnen der Grundgedanke, achtsam zu sein und Verantwortung zu übernehmen, klar ist", berichtet Gabriele Haske. Dazu können auch Aktionen wie das gemeinsame Errichten eines Hochbeetes gehören.
Während in Pflegeeinrichtungen die Ausgangslage zumeist klar definiert ist, liegt im privaten Garten nicht zwingend ein ärztlicher Befund vor. Gleichwohl ist das "grüne Wohnzimmer" beispielsweise ein Element, um Menschen mit Demenz zu begleiten. Ohnehin ist die Gartentherapie keine Eintagsfliege. Von einem Prozess bis zur Umgestaltung des Bereichs über eine langfristig begleitete Therapie reicht das Spektrum.
Auf der nächsten Landesgartenschau ist ein Themengarten geplant
Gerne hätte das Ehepaar schon in diesem Jahr auf der Landesgartenschau in Bad Gandersheim einen Muster-Therapiegarten gezeigt, doch die Veranstaltung wurde auf das kommende Jahr verschoben. Dennoch ist das Interesse an diesem Ansatz groß, und auch aus medizinischer Sicht steht die Gartentherapie im Fokus. Es gibt Bemühungen um die Anerkennung durch die Krankenkassen. In einigen angelsächsischen Ländern ist die ärztliche "Verschreibung von Aktivitäten in der Landschaft" bereits üblich.
Nicht nur die eigenen Kunden haben Gabriele und Tony Haske im Blick. Sie wollen außerdem in Fortbildungen ihr Wissen an Kollegen weitergeben. Denn der Bedarf, da sind sich Tony und Gabriele Haske sicher, ist überall vorhanden.