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Missbrauch in der Kirche: Auch die "By-Stander" haben sich schuldig gemacht

Kolumne: Auf ein Wort – Neben den schlimmen Erlebnissen der Missbrauchsopfer ist besonders ein Fakt schockierend: Es gab Mitwisser, die den Mund deutlich früher hätten aufmachen können.

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Es war die richtige Geste von Bischof Genn, als er am vergangenen Montag den Raum betrat, um die Missbrauchsstudie für das gesamte Bistum Münster entgegenzunehmen: In dem Pulk von Journalisten und Historikern hat er zunächst der Frau und dem Mann die Hand gegeben, die missbraucht wurden. Erst dann hat er alle anderen begrüßt.

Denn immer wieder ist bei der stellenweise nur schwer zu ertragenden Pressekonferenz zu hören: "Die Betroffenen haben den Stein ins Rollen gebracht." Ihnen hat die Kirche zu verdanken, dass Licht in dieses Dunkel kam und das oft unerträgliche Leid sichtbar wurde.

Der Kardinalfehler der Kirche, der Kardinalfehler von Menschen, die in anderen Bereichen Großes und Großartiges geleistet haben: Dass sie – um der Menschen und der Welt willen – die Kirche um jeden Preis schützen wollten. Die Frage, warum die Not der missbrauchten Jungen und Mädchen nicht stärker wog – im Letzten hat auch in der Pressekonferenz keiner der Historiker eine Antwort. Etwas Weiteres haben die fünf beteiligten Wissenschaftler herausgefunden und am Montag der Öffentlichkeit mitgeteilt: "Die Vertuschung beginnt nicht erst im Generalvikariat", so ihr Satz. Es habe "By-Stander" gegeben. Also Umstehende. Menschen, die von den Vorgängen wussten. Teilweise nicht wenige! Offene Geheimnisse habe es gegeben. Und damit einen "Klerikalismus der Laien selbst".

"Die Lehre für uns "Umstehenden": den Mund aufmachen, überall da, wo Unrecht geschieht."Dietmar Kattinger

Die Lehre für uns "Umstehenden": Den Mund aufmachen, überall da, wo Unrecht geschieht. Im Feld des Missbrauchs, aber ebenso in jedem anderen Bereich des Unrechts oder Verbrechens. Wenn Taten im Nachbarhaus geschehen, im Büro, im Sportverein.

Donnerstag wird in der Katholischen Kirche auf der ganzen Welt das Fest "Fronleichnam" gefeiert. Zu Recht wird im Zentrum von goldenen Monstranzen Jesus in Form einer Hostie voraus getragen.

Er, der in seinem aufbauenden Wort und noch mehr in seinen Taten Tote wieder ins Leben zurückgeholt hat, Lahme hat gehen lassen, Aussätzige vom Rand in die Mitte geholt hat. Er, der im Namen seines Vaters aufrechte, mutige Menschen wollte und will.

Er ist der Ursprung der Kirche. Dieser Jesus, der von Gott aus dem Tod geholt, erhöht wurde und zu "Rechten des Vaters" sitzt, wie die Theologie im Bild beschreibt. Alles, was seinem Anspruch genügt, ist richtig. Alles, was seinem Anspruch nicht genügt, ist falsch. Oder Sünde. Manchmal Todsünde.


Zur Person:

  • Dietmar Kattinger ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landes-Caritasverbandes in Vechta.
  • Sie erreichen den Autor per Mail unter: redaktion@om-medien.de.

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