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Mild, milder, ein Urteil des Jugendgerichts

Kolumne: Recht hat, wer Recht bekommt – Was müssen Menschen zwischen 18 und 21 Jahren eigentlich tun, um verurteilt zu werden? Viel, könnte man meinen.

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Zunächst einige Vorbemerkungen, um den aktuellen Fall einordnen zu können: Ab dem 18. Geburtstag gelten junge Erwachsene auf dem Papier als voll strafmündig. Ob im Fall des Straffalls das Erwachsenenstrafrecht oder das Jugendstrafrecht angewendet wird, hängt allerdings davon ab, ob die Tat noch als „Jugendverfehlung“ zu beurteilen ist oder nicht. Denn das Jugendstrafrecht soll erziehen; das Erwachsenenstrafrecht hat den Strafzweck.

Wenn der Angeklagte in seiner Entwicklung eher einem Jugendlichen als einem Erwachsenen gleicht, gilt auch für den 18- bis 21-Jährigen weiterhin das Jugendstrafrecht. In der Praxis ist das meiner Erfahrung nach die Regel. Ab dem 21. Lebensjahr kommt ausnahmslos das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung. 

Nun zum Fall: Zwei 20-Jährige hatten sich wegen gefährlicher Körperverletzung zu verantworten. Das Verfahren wurde eingestellt und die beiden jungen Männer müssen einmal 500 und das andere Mal 750 Euro an die Opferhilfe zahlen. Beide junge Herren hatten jeweils drei Vorstrafen; davon mindestens eine wegen einer Körperverletzung. Beide haben einen Beruf, beide verdienen Geld und waren schon dreimal bei anderen Gerichtsverfahren darauf hingewiesen worden, warum "noch einmal" das Jugendstrafrecht Anwendung finde.

"Na ja, dachte ich, was muss man noch machen, um verurteilt zu werden, ob jetzt nach dem Jugend- oder dem erwachsenen Strafrecht."Klaus Esslinger

Was war passiert? Urteilen Sie selbst! Am 4. September 2020 zwischen 6.30 und 6.40 Uhr gab es im Kneipenviertel an der "Große Straße" in Vechta „Halligalli“. Das Geschehen war von einer Zeugin gefilmt worden. Der Staatsanwalt und die Jugendrichterin schauten sich das Video mindestens dreimal an. Zu sehen war, wie eine Frau aus einer Kneipe kam und sah, wie die beiden 20-Jährigen sich völlig daneben benahmen. Sie schlug einen der Angeklagten. Die Männer wiederum verfolgten sie und verteilten dann Faustschläge und Fußtritte.

Das Duo erklärt, geschlagen und vielleicht auch getreten zu haben. Beide seien "total besoffen" gewesen. Die Polizei habe eine Blutprobe nehmen lassen wollen; dem habe man aber nicht zugestimmt. Einer der beiden „Helden“ gab auch zu, dass er die Polizeibeamten beleidigt habe. Außerdem räumte er ein, dass er im Zitadellenpark mit Betäubungsmitteln erwischt worden sei.

Der Staatsanwalt meinte es offenbar gut mit den beiden jungen Männern mit Migrationshintergrund und regte an, das Verfahren bei einer Geldzahlung einzustellen. Trotz der Vorstrafen, einer – wir erinnern uns – wegen gefährlicher Körperverletzung.

Na ja, dachte ich. Was muss man machen, um verurteilt zu werden – egal, ob jetzt nach dem Jugend- oder dem Erwachsenenstrafrecht? Die Geldauflagen, zwar gut und schön, einer der beiden nahm auch schon mal am Anti-Aggressions-Kurs teil, aber ich hatte starke Bedenken, ob das Sinn macht.


Zur Person:

  • Klaus Esslinger ist Gerichtsreporter und war viele Jahre Lokalchef der Oldenburgischen Volkszeitung
  • Kontakt zum Autor über: redaktion@om-medien.de.

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