Im Juni richtet der Chor anlässlich seines Jubiläums das Sängerbundesfest aus. Heutzutage stehen die Türen des Chors für jedes neue Mitglied offen. Das war allerdings nicht immer so.
Das älteste noch vorhandene Gruppenfoto vom Männergesangverein Visbek aus dem Jahr 1912. Foto: MGV Visbek
Der Männergesangverein Visbek war mal ein ziemlich exklusiver Verein. Jeder durfte damals nicht mitmachen, weiß Bernhard Tönjes, Chronist des Männergesangvereins (MGV) Visbek von 1873. Oder wie es in den „Revidierten Statuten des Gesangvereins Visbek“ aus dem Jahr 1902 heißt: „Als tätige Mitglieder werden Männer und Jünglinge aufgenommen, die eine gute Stimme zum Singen besitzen und deren sittliche Führung einwandfrei ist.“ Weiter heißt es: „Die Aufnahme erfolgt durch einen mit Zweidrittel–Mehrheit in geheimer Abstimmung gefaßten Vereinsbeschluß.“ So muss es wohl zunächst ein Vorsingen gegeben haben, sagt Tönjes. Vereinsmitglieder kamen zum größten Teil „eher aus der Oberschicht“. Das sei heute völlig anders. „Jeder ist willkommen“, betont Berthold Wilkens, Vorsitzender des MGV, mit Blick auf die 150-jährige Geschichte. Dieses langjährige Bestehen wird in diesem Sommer von den 51 Mitgliedern gefeiert.
Eingebettet werden die Jubiläumsfeierlichkeiten in die Ausrichtung des diesjährigen Sängerbundesfests in Visbek. Dieses findet am 25. Juni (Sonntag) statt. Mehr als 700 Sängerinnen und Sänger aus dem Sängerbund „Harmonia“ Vechta werden sich dann in Visbek treffen. So ist der Umzug durch den Ort ein wichtiger Bestandteil des Festes. Zuvor wird der Männergesangverein sein 150-jähriges Bestehen aber noch intern mit einer Feier am 17. Juni bei Hogeback in Visbek begehen, sagt Antonius Mönnig, 2. Vorsitzender des MGV. Bis dahin soll zudem auch eine rund 180 Seiten starke Chronik erscheinen.
Früher mehr Volks- und Kirchenlieder
Zum Gründungsjahr sind die Überlieferungen etwas spärlich. Als Gründerväter sind Linus Varnhorn, Josef Menke und Georg Kolhoff bekannt. Erster Dirigent war der damalige Lehrer Bernhard Kröger – auch „Kreugers Pappen“ genannt. 27 Männer fanden sich zum gemeinsamen Singen. Die Übungsstunden fanden in der Wohnung des Dirigenten statt. Schon damals hätten die Dirigenten viel Wert auf die Qualität des gemeinsamen Singens gelegt, weiß Tönjes aus den Überlieferungen, deren Verschriftlichung in Sütterlin er selbst übersetzte.
Das Repertoire bestand damals überwiegend aus Volks- wie Kirchenliedern, so Bernhard Tönjes. So gab es unter anderem die Pflicht, an kirchlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Wer dies versäumte, oder auch eine Übungsstunde, musste eine Strafe zahlen. Etwas Ähnliches haben sich die Vereinsmitglieder bis heute erhalten. Wer eine Probe oder einen Auftritt versäumt, zahlt in die Kasse der Stimme, der er angehört – 1. oder 2. Tenor beziehungsweise 1. oder 2. Bass. Die Vierstimmigkeit des Chores gibt es seit der Gründung.
Ein aktuelles Foto des Männergesangvereins Visbek von 1873. Foto: MGV Visbek
Das Repertoire hat sich bis heute natürlich verändert. Nicht mehr gesungen werden Volkslieder, sagt Berthold Wilkens. Die Liedermappe besteht zum größten Teil aus weltlichen Werken – von Roger Cicero bis hin zu den Prinzen –, die zu den circa fünf Auftritten im Jahr vorgetragen werden. Zu hören sind die Visbeker Chorsänger unter anderem auf dem Sängerbundesfest, beim Adventssingen, bei Feierlichkeiten von Mitgliedern wie auch zu Weihnachten in der Kirche. Als Dirigent steht dem Männergesangverein seit rund 25 Jahren Heinz kl. Schlarmann aus Friesoythe vor.
Aufnahme von Frauen stand nur einmal zur Debatte
Der Männergesangverein Visbek kann auf ein beständiges Vereinsleben zurückblicken. Trotz der kriegsbedingten Unterbrechungen seien die Mitgliederzahlen immer stabil geblieben, weiß Bernhard Tönjes. So sei der Visbeker Chor heute der mitgliederstärkste Männergesangverein im Kreis Vechta. Vor 100 Jahren habe es sogar einmal einen Aufnahmestopp gegeben. Bis 1957 haben die Mitglieder darüber hinaus – mit Unterbrechungen – Theater gespielt. Die Aufführungen fanden am 2. Weihnachtsfeiertag statt. 1922 gründete sich aus dem MGV heraus der Musikverein Visbek, der im vergangenen Jahr sein 100-jähriges Bestehen feierte.
Der Männergesangverein Visbek von 1873 heute. Foto: MGV Visbek
Vereinsfoto aus dem Jahr 1934. Foto: MGV Visbek
Die Mitglieder des Chors spielten bis 1957 (hier ein Foto von 1955) auch Theater. Foto: MGV Visbek
Foto einer Theateraufführung 19501951. Foto: MGV Visbek
1934 richtete der Männergesangverein Visbek das Sängerbundesfest aus. Foto: MGV Visbek
Und wie sieht es mit den Frauen aus? Gab es in den 150 Jahren je die Überlegung, ein gemischter Chor zu werden? Bernhard Tönjes recherchiert: Bei der Mitgliederversammlung im März 1937 ist mal darüber abgestimmt worden, ob auch Frauen aufgenommen werden sollten. Dieses wurde damals nicht beschlossen. In den Jahren danach kam dieses Thema nicht wieder auf die Tagesordnung.
Vor wenigen Jahren wurde dann doch noch Geschichte geschrieben, wie aus der aktuellen Chronik hervorgeht. Erstmalig bei einem Übungsabend stand eine Frau vor dem Männergesangverein, um diesen zu dirigieren. Dorothee Welker-Helms aus Vechta vertrat den Chorleiter Heinz kl. Schlarmann, da dieser verhindert war. Und wie war es? Die Chronik verrät: „Beide Seiten, wir Sänger und auch Frau Welker-Helms, waren mit den Leistungen am Übungsabend zufrieden.“
Info:Der Männergesangverein Visbek von 1873 trifft sich jeden Donnerstagabend um 20.30 Uhr zur Probe bei Dieckhaus in Vechta.