Lilli Ludwig und Josefa Voet sind zusammen 203 Jahre alt
Die beiden leben in Dinklage. Lilli Ludwig im "betreuten Wohnen" und Josefa Voet im Altenwohnhaus St. Anna. Ihr Lebenswege haben Parallelen und viele Unterschiede.
Lilli Ludwig (links) feierte gerade ihren 104. Geburtstag. Josefa Voet (rechts) wird im Februar ihren 100. begehen können. Foto: Heinzel
Lilli Ludwig feierte gerade ihren 104. Geburtstag, Josefa Voet wird am 19. Februar 100 Jahre alt. Beide leben in Dinklage. Sie können auf über ein Jahrhundert voller Ereignisse zurückblicken. Sowohl Lilli Ludwig als auch Josefa Voet fällt vor allem eines ein: Arbeit habe ihr Leben geprägt. Unglücklich wirken sie dabei aber nicht. Die 104-Jährige wohnt seit 4 Jahren im Rahmen des „betreuten Wohnens“ an der Dechant-Plump-Straße. Josefa Voet zog erst im letzten Jahr in das Altenwohnhaus St. Anna. Die Seniorinnen kennen sich über die Einrichtung und gehen öfter gemeinsam spazieren.
Heimleiterin Martina Uchtmann berichtet, wie beeindruckt sie darüber sei, wie fit Lilli Ludwig mit ihren 104 Jahren ist. Die rüstige Seniorin gewährt ihren Zuhörern einen kleinen Einblick in ihr Leben. Ihre Vorfahren hätten sich im 17. Jahrhundert zwischen Posen und Lodsch niedergelassen. 1919 sei sie dort geboren worden. Eigentlich wollte sie studieren, doch das Leben hatte andere Pläne. Bei einer ihrer sechs Schwestern lernte sie das Nähen. Ihre Schwester war Schneiderin und konnte so das Handwerk vermitteln.
„Es wollte uns keiner haben, weder als Flüchtling noch als Protestant.“Lilli Ludwig kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Dinklage
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam sie 1947 als Witwe mit ihren drei kleinen Kindern Astrid, Horst und Egon nach Dinklage. „Ich war zwei Jahre unterwegs, bevor ich in Dinklage ankam“, umschreibt sie diese entbehrungsreiche Zeit. Lilli Ludwig kam bei einem Bauern unter und arbeitete erst einmal in der Landwirtschaft. Es sei kein einfacher Start gewesen berichtet sie: „Es wollte uns keiner haben, weder als Flüchtling noch als Protestant.“
Josefa Voet wurde 1923 auf dem Bauernhof ihrer Eltern geboren und kennt solch eine Situation aus der anderen Perspektive. Sie sagt jeder habe damals ein wenig nachgegeben und so sei man miteinander ausgekommen. Lilli Ludwig fährt in ihrer Erzählung fort und sagt, dass sie in einem Raum mit ihren Kindern gelebt habe. Einen Herd erstand sie im Tausch gegen Essensmarken. „Es fehlte an allem“, sagt sie lapidar.
Lilli Ludwig hat immer gern gelesen. Dabei sei manchmal eine ganze Nacht draufgegangen, um ein Werk zu Ende zu bringen. Foto: Heinzel
Die Neu-Dinklagerin lies sich jedenfalls nicht unterkriegen. Sie bekam über die Gemeinde – Dinklage erhielt erst 1995 die Stadtrechte – ein Stück Land zugewiesen und konnte dort ihr Haus bauen. Von hier aus war sie als selbstständige Schneiderin tätig. Das bedeutete: Tagsüber kümmerte sie sich um Garten, Familie und Kunden. Nachts wurde genäht. Um 2 Uhr habe sie kurz die Augen ausgeruht und den Kopf für eine halbe Stunde neben die Nähmaschine gelegt. Dann ging es weiter.
Mit ihrem Eigenheim begann Lilli Ludwig, sich in Dinklage heimisch zu fühlen. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die evangelische Kirchengemeinde, von deren Tanzabenden sie mit durchaus leuchtenden Augen erzählt. Sie hat praktisch das Entstehen der Gemeinde miterlebt. Nach dem Krieg stieg die Zahl der Evangelischen in Dinklage durch die Flüchtlingsströme aus dem Osten auf 1997 Gemeindeglieder (1950) schreibt die Kirchengemeinde auf ihrer Homepage, so dass Anfang der 1950er Jahre eine Kirche gebaut werden konnte. Die selbstständige Näherin hörte eigentlich nie richtig auf, zu arbeiten. Noch bis zu ihrem 100. Geburtstag nähte sie Kleider für Familie und gute Bekannte.
Josefa Voet war 16 Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Sie meint: „Ich habe nicht viel von der Jugend gehabt.“ 1949 heiratete sie und arbeitete weiter in der Landwirtschaft. „In der Landwirtschaft muss man alles machen“, sagt Lilii Ludwig, Josefa Voet nickt zustimmend. Mit Heinrich, Josef, Gisela und Bernd zog die Langwegerin vier Kinder groß. Heute hat sie neun Enkel und zahlreiche Urenkel. Handarbeit habe ihr immer Spaß gemacht – also Häkeln und Sticken. Erst im letzten Jahr zog sie in das Altenwohnheim St. Anna. Damals war sie nach einem Sturz auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch sie biss sich durch und kann nun wieder selbst laufen. Sie geht gerne spazieren und sagt mit sanftem Humor: „Ich muss ja laufen, sonst verlerne ich es ja.“
„Ja, die kann das. Sie weiß sich durchsetzen.“Josefa Voet über ihre Enkelin, die Lohner Bürgermeisterin Dr. Henrike Voet
Politisch sei sie wenig interessiert gewesen. Trotzdem liest sie heute regelmäßig die Zeitung, um die Lohner Kommunalpolitik zu verfolgen. Das hat einen guten Grund. Ihre Enkelin ist die amtierende Bürgermeisterin, Dr. Henrike Voet. Stolz sagt die Langwegerin: „Ja, die kann das. Sie weiß sich durchsetzen.“ Wie sie das macht, darüber unterhalten sich Lilli Ludwig und Josefa Voet auf ihren Spaziergängen um das Altenwohnhaus.