Kusenpiene – oder: "Das Loch muss zu"
Meine Woche: Das Unheil kündigte sich schleichend an. Dann begann die Suche nach einem Zahnarzt...
Roland Kühn | 24.06.2023
Meine Woche: Das Unheil kündigte sich schleichend an. Dann begann die Suche nach einem Zahnarzt...
Roland Kühn | 24.06.2023
Das Unheil kündigte sich schleichend an. Beim Kauen verspürte ich einen leichten Druckschmerz. Aber nee – ist kein Ding. Ich bin ein Mann. Und überhaupt, der Zahn, der sich jetzt meldet, hat schon öfter einmal „gemuckt“ – und schnell war der leichte Schmerz auch wieder weg. Doch dieses Mal nicht. Zum Schluss einer – noch ohne Schmerzmittel – überstandenen Nacht folgt dann doch der Griff zum Telefon: Das Loch, das mich gerade piesackt, muss zu. Doch am anderen Ende der Leitung, in der Zahnarztpraxis meines Vertrauens, scheint es gerade „drunter und drüber“ zu gehen. Sofort einen Termin? Nein, man gehe gerade unter. Ein Kollege habe wohl seine Praxis in der Stadt recht kurzfristig aufgegeben und nun „stürmen neue Patienten auf uns zu. – Land unter.“ Ja, aber – ich wäre doch Stammpatient und hätte Schmerzen!? Das gequälte Stöhnen am anderen Ende ist unüberhörbar und klingt wie meines, wenn ich auf dem Zahnarztstuhl sitze. „Morgen, da habe ich noch eine klitzekleine halbe Stunde frei. Aber pünktlich kommen, sonst kann Sie der Chef nicht behandeln.“ – „Ich bin pünktlich. Versprochen!“ Ich habe mein Versprechen gebrochen. Ein Interviewtermin zog sich hin. Also dann: Chemie. Die Tabletten halfen. Keine Schmerzen. Komischerweise gleich für viele Tage war der Zahn nicht mehr zu spüren. – Wozu braucht man eigentlich Zahnärzte...? Es ist Dienstag. Seit 3 Tagen ist der Schmerz wieder da. Erstes Gespräch: „Sie sind nicht Patient bei uns? Ja, dann können wir Sie nicht behandeln. Wir haben Aufnahmestopp. Da müssen Sie es woanders versuchen.“ Am anderen Ende wird aufgelegt, ohne sich mein Gejammer anzuhören. Noch nicht mal ein „Tut mir leid“ bekomme ich mit auf den Weg – herzloses deutsches Gesundheitswesen! Zweites Gespräch. Inhalt wie zuvor, allerdings endet es mit „Tut mir leid“, und dem Rat, sich doch an den zahnärztlichen Notdienst zu wenden. Ich bin froh, muss aber lesen: Notdienst unter der Woche? Nee, der ist nur für die Fälle an den Wochenenden und für Feiertage! Es ist Dienstag! Am Abend rät mir meine Frau, ihren Zahnarzt anzurufen. Auch von dort höre ich tags darauf zunächst: „Wir nehmen keine Neuen auf!“ Doch nach den Hinweisen „Ehemann“, „Schmerzen“, „Ausnahmefall“ gibt es einen Termin. Juhu! „Morgen, 11.30 Uhr. Ansonsten habe ich nichts frei.“ Nee. Da kann ich nicht – unaufschiebbarer beruflicher Termin. Später vielleicht, die Sprechstunde läuft doch bis 20 Uhr, die Praxis hat drei Zahnärzte? „Nein. Erst ab September wieder. Falls früher, müssen Sie woanders nachfragen.“ September? Ich habe Zahnschmerzen! Ich schmettere – symbolisch – den Hörer auf die Gabel. Soll ich jetzt alle Dentisten der Stadt antelefonieren und mir dieselbe Absage einholen? Ich schmeiße Tabletten ein, und weiß jetzt, dass die oft beklagte „Notdienstüberlastung“ wohl auch ein durch den Stand selbst verursachtes Problem sein dürfte. Ich werde den Notdienst nehmen (müssen). Und wenn mir da irgendjemand was von „völliger Überlastung“ vorbetet...Die Tabletten halfen
Da mein Zahnarzt nicht an meinem Wohnort residiert, strebe ich einen Wechsel an. Es wäre also nicht unklug, mal bei den Zahnärzten vor Ort anzufragen. Hoffnungsvoll folgt mein Griff zum Telefon."Noch nicht mal ein ,Tut mir leid' bekomme ich mit auf den Weg – herzloses deutsches Gesundheitswesen!Roland Kühn
"Die Dentisten in der Stadt sind offensichtlich alle überlastet – warum sonst nehmen sie keine Patienten mehr an?" Roland Kühn
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