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Kriegst die Tür nicht zu ..!

Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Es muss nicht immer Avignon sein. Manchmal genügt schon ein Kurztrip an den Geldautomaten, um einem Sonntag das gewisse Etwas abzugewinnen.

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Man soll ja nicht immer nur im eigenen Saft schmoren. Lassen Sie sich einfach mal auf Neues ein, umgeben Sie sich mit Menschen, mit denen Sie für gewöhnlich nicht das Wohnzimmer teilen! Das bereichert ungemein, wie ich jüngst feststellen durfte. So steuere ich vergangenen Sonntag meine Bankfiliale an, um mir am Automaten noch fix Barmittel zu organisieren. Entschlossenen Schrittes scheint ein junger Mann, Mitte 20, einen ähnlichen Plan zu verfolgen. Er trägt Jogginghose und knöchelhohe weiße Sneaker (also das, was wir seinerzeit Turnschuhe nannten), dazu lässig überm Sweatshirt eine Silberkette, mit der Sie problemlos einen Kleinwagen abschleppen könnten. Gut, denke ich, wer sich extra so schick gemacht hat, soll den Vortritt haben.

Ich stehe eine Corona-Abstandslänge hinter ihm, als er den Schalter drückt, über den sich die Tür automatisch öffnet. Nur halt nicht heute… Der junge Mann greift zur Türklinke, um uns den Weg zum Automatenvorraum händisch zu ebnen. Dem Schließbolzen aber ist der Sonntag offensichtlich heilig – er verweigert. Während ich dies stumm zur Kenntnis nehme, quittiert mein junger Panzerknacker in spe derweil mit einem „Alter!“.

Und nun kommen Sie ins Spiel, wenn ich Ihnen versprochen habe, Sie könnten sich mit meiner kleinen Anleitung mal eben um mindestens 20 Jahre jünger fühlen. Der emotionale Ausspruch „Alter!“ bedeutet in etwa so viel wie einst „Oha“ oder „ei der Daus“, ist halt nur deutlich cooler. Ganz wichtig dabei: Sie sprechen ein „Alter!“ nicht aus wie „Im Alter möchte ich nach Mallorca ziehen“, sondern verwandeln das „er“ am Ende des Wortes in ein explosives „a“ – Alta!

Zurück an die Tür: Ich spüre, wie unangenehm es John Rambo ist, von einem vergleichsweise älteren Herrn dabei beobachtet zu werden, wie er an einer Tür zu scheitern droht. Ich will helfen, zücke meine EC-Karte und schiebe sie in den dafür vorgesehenen Schlitz am Türrahmen. Auf dem Display erscheint „Bitte eintreten“. John zieht am Türgriff – der Schließbolzen verweigert. Mein junger Sonntagsfreund wird ungeduldig, sein Stand breiter. Das können Sie übrigens auch nächstes Mal an der Bratwurstbude nachmachen: Sie bilden einfach mit Ihren weißen Turnschuhen ein breitbeiniges V, ähnlich wie es Skispringer tun. Tippelnd verlagern Sie dann Ihr Gewicht nervös-gereizt von einem aufs andere Bein. Da schiebt Ihnen an der Bude aber garantiert jeder den Senf rüber!

„'Dicker!' (korrekte Aussprache: 'Digga!') können Sie immer dann zu jemandem sagen, wenn Ihnen dessen Vorname justamente entfallen ist."Heiko Bosse

John Rambo atmet schwer: „Ich brauch’ die Knete, Dicker!“. Ich sehe mich um, ob womöglich jemand zu uns gestoßen ist, betrachte ich mich doch als vergleichsweise schlank und daher erstmal nicht angesprochen. Die Auflösung: „Dicker!“ (korrekte Aussprache: „Digga!“) können Sie immer dann zu jemandem sagen, wenn Ihnen dessen Vorname justamente entfallen ist.

Während John verzweifelt, liegt mir ein „Kriegst die Tür nicht zu..!“ auf der Zunge. Da ich aber nicht sicher bin, ob Rambo Sinn für Humor hat, verzichte ich auf meinen kleinen Scherz. Derweil steckt er nun seine Karte in den feinen Schlitz, die Tür hält dicht. John Rambo sieht mich an, zeigt aufs Display („Bitte eintreten“), weist aufs Entrée und sagt „Tür eintreten, oder was?!“. Sieh an, hat doch Sinn für Humor – ich verzichte dennoch auf meinen Scherz.

John hat endgültig die Nase voll, winkt ab, sagt „Alta!“ und zieht gen tiefergelgtem Astra von dannen. Dies noch etwas entschlossener als auf dem Hinweg – so, als trüge er Rasierklingen unter den Achseln.

Zurück im Auto, lege ich den Rückwärtsgang ein, in meinem Schlagerradio singt Mireille Mathieu „An einem Sonntag in Avignon“ … und ich denke nur: „Alta!“.


Zur Person:

  • Heiko Bosse ist Mitglied der Chefredaktion der OM-Medien.
  • Den Autor erreichen Sie per Mail an: redaktion@om-medien.de.

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