Kreuzverhör am Kassenband
Meine Woche: Der neue Deal im Supermarkt: Es gibt gratis Waffeleis für jeden, der die passende App auf dem Smartphone hat. Nur eins ist noch absurder: Der Klimaschutz-Obolus in der Tankstelle.
Matthias Bänsch | 14.05.2023
Meine Woche: Der neue Deal im Supermarkt: Es gibt gratis Waffeleis für jeden, der die passende App auf dem Smartphone hat. Nur eins ist noch absurder: Der Klimaschutz-Obolus in der Tankstelle.
Matthias Bänsch | 14.05.2023
Wenn die Deutschen in etwas geübt sind, dann ist es Schlangestehen. Das disziplinierte – allenfalls nur durch ein Murmeln und Murren hörbare – Anstehen an der Supermarktkasse dürfte jedem im Alltag bestens bekannt sein. Höchstens wenn die Schlange bis zum Klopapierregal reicht, beginnen besonders am Ende der Einkaufswagenkolonne die gymnastikübungsähnlichen Körperbiegungen nach links und rechts, um der Kassiererin einen möglichst genervten Blick zuwerfen zu können (als ob das etwas ändern würde!): „Könnse vielleicht eine zweite Kasse aufmachen?“ Discounter haben das Phänomen mittlerweile einem digitalen Management überlassen. Ein weiblich-sonorer Sprachassistent stürzt mit einer Durchsage die naturgesetzliche Hackordnung in der Warteschlange völlig aus den Fugen, indem mit einem gleichgültigen Tonfall die Öffnung einer weiteren Kasse angekündigt wird. Das geschieht übrigens gefühlt zwangsläufig mit einer dahinter geschobenen Androhung, dass allerdings die andere Kasse gleich schließen wird. Die Folge ist ein unkontrolliertes Gewämmse der Einkaufswagen; die vorbildliche Warteschlange bricht panisch zu beiden Seiten auseinander. Ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt: „Eins, zwei oder drei – ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht“. Wenn der Einkauf also schnell vonstattengehen soll (oder gar muss), wandert der Blick direkt beim Betreten des Supermarktes in den Kassenbereich. So auch bei mir in dieser Woche: Eine Tüte Pommes. Und zwar nur das! Soviel zum Vorsatz, im Einkaufskorb landet dann doch noch das ein oder andere – entweder weil zum Schnäppchenpreis unter die Nase gerieben oder wegen des spontanen Gedankens „Ach-komm-das-gönn-ich-mir-heute-Abend“. Prima, nur vier Kunden mit semi-gefüllten Einkaufswagen, dachte ich noch, mit einem Gefühl von Glückseligkeit. Doch das verpufft nach 5 Minuten. Denn es passiert…nichts. Dass es nicht an der Menge der gekauften Artikel, die über den Scanner gezogen werden, liegen kann, ist hörbar. Denn an der Kasse piept auch nichts. Der Grund für die Verzögerung, die mittlerweile dafür gesorgt hat, dass meine Pommes in der Tüte den Aggregatzustand von Kartoffelbrei erreicht haben: Ein Kreuzverhör und ein Smartphone-Volkshochschulkurs am Kassenband. Haben Sie Payback? Nein. Sammeln Sie Treuepunkte? Nöhööö! Neu ist die gezielte Werbung für die Kundendatensammel-App des Supermarktes. „Ihr Einkauf liegt über 15 Euro. Wenn Sie jetzt die App herunterladen (der Kassierer tippt mit dem Finger auf einen ausgehängten QR-Code), bekommen Sie eine Packung Haselnusshörnchen gratis dazu.“ Den älteren Herrschaften vor mir in der Schlange half der QR-Code herzlich wenig. Weil die aber nun Blut geleckt beziehungsweise Heißhunger auf Haselnusshörnchen bekommen hatten, musste manuell bei der Installation der App nachgeholfen werden. Da bekommt der Supermarktkassierer während eines Arbeitstages mehr Smartphones in die Hände, als der Verkäufer bei Vodafone. So sehr auch ich Eis zu meinen Leibspeisen zähle, bin ich – ob der mittlerweile zu Kartoffelsuppe gewordenen Pommes – genervt. Die Zeiten vom simplen "Kaufen-Zahlen-Verabschiedung" sind vorbei. Das verbale Kundenstalking erreicht in einer Tankstelle übrigens seinen absurden Höhepunkt: Dort wird man doch tatsächlich gebeten, den fälligen Spritpreis aufzurunden. Für den Klimaschutz. Bei einem Mineralölkonzern!? Darüber lässt sich trefflich streiten. Beim nächsten Mal, mit dem Vordermann, in der Warteschlange."Haben Sie Payback? Nein. Sammeln Sie Treuepunkte? Nöhööö!"Matthias Bänsch
Zur Person:
So verpassen sie nichts mehr. Mit unseren kostenlosen Newslettern informieren wir Sie über das Wichtigste aus dem Oldenburger Münsterland. Jetzt einfach für einen Newsletter anmelden!