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Jugend in Essen: Respekt vor den Eltern, aber Scheu vor Verantwortung

Der Jugendbericht bringt es ans Tageslicht: Traditionelle Werte spielen im Denken der "Generation Z" weiter eine große Rolle. Wenig Interesse gibt es jedoch für die Religion und das Ehrenamt.

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Zu wenig: Veranstaltungen für junge Leute sind in Essen selten. Eine Ausnahme bildete der Familientag im Mai.  Foto: Wienken

Zu wenig: Veranstaltungen für junge Leute sind in Essen selten. Eine Ausnahme bildete der Familientag im Mai.  Foto: Wienken

Ein gemischtes Bild über den Zustand ihrer Jugend liefert eine umfangreiche Untersuchung, die die Gemeinde Essen 2019 bei der Universität Vechta in Auftrag gegeben hatte. Die Ergebnisse stellte Detlev Lindau-Bank vom Institut für Erziehungswissenschaft im Rathaus vor.

Die Pandemie verzögerte die Fertigstellung. Grundsätzlich verwässert habe sie die Studie aber nicht, betonte Lindau-Bank. Mit einem Team junger Studierender hatte der Wissenschaftler die Situation von 12- bis 24-Jährigen in Essen gründlich unter die Lupe genommen, dabei rund 170 Jugendliche und junge Erwachsene befragt und auch mit Lehrern, Unternehmern und Vereinsvertretern gesprochen. Herausgekommen ist ein knapp 900 Seiten starker Bericht, dessen Inhalt Lindau-Bank in einem einstündigen Vortrag zusammenfasste.

Zuerst die gute Nachricht für die Eltern: Sie stehen beim Nachwuchs  hoch im Kurs. "Der Respekt  ihnen gegenüber ist den Jugendlichen sehr wichtig", betonte Lindau-Bank. Die Familie genieße ohnehin einen hohen Stellenwert, traditionelle Werte wie Freundschaft und Gerechtigkeit ebenso. Weniger stark ausgeprägt ist dagegen der Drang nach Verantwortung. Dies haben auch die Vereine festgestellt, deren Angebote zwar fleißig genutzt werden, denen es aber zunehmend schwerer fällt, ehrenamtlichen Nachwuchs zu gewinnen.

Jugendliche in Essen wünschen sich ein Café

"Dazu befragt, antworten die Jugendlichen meistens, ihnen fehle die Zeit. Man könnte aber auch sagen, dass sie sich die Zeit nicht nehmen wollen", befand der Experte. Für die Kirchen enthält der Bericht  eine traurige Botschaft: Mit Religion hat die Jugend kaum noch etwas am Hut. "Nach religiösen Überzeugungen zu leben, ist ihr nicht wichtig", bestätigte Lindau-Bank. Immerhin: Der schnöde Mammon übt auf die „Generation Z“ keinen übermäßigen Reiz aus. An materieller Sicherheit ist ihr jedoch gelegen. Und dazu gehört für die meisten noch immer das spätere Eigenheim mitsamt Familie und Hund.

Die aktuelle Wunschliste reicht von der Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs bis zum Mofalehrgang an der Oberschule. Grundsätzlich gab es aber viel Lob für die Angebote in der Gemeinde, insbesondere im Sportbereich. Befragt, was ihnen in Essen besonders fehle, äußerten die jungen Leute häufig den Wunsch nach einem Café, in dem sie sich ungestört verabreden können. Einen klassischen Jugendtreff lehnen sie dagegen mehrheitlich ab. Begründung: Dieser würde letztlich nur von den stets gleichen Gruppen besucht.

Lindau-Bank warb deshalb für eine aufsuchende Jugendarbeit und bemängelte das Fehlen von größeren Veranstaltungen. "Fast jeder, den wir interviewt haben, lobte das Schützenfest. Aber was findet in Essen sonst noch statt?" Würden die Jugendlichen in die Organisation eines Ereignisses mit einbezogen, steigere das außerdem ihr Engagement, ist Lindau-Bank überzeugt.

Kontakt von örtlichen Unternehmen zu künftigen Azubis scheint nicht so recht zu funktionieren

Einsatzbereitschaft erwarten auch die örtlichen Unternehmen von ihren künftigen Auszubildenden. Doch der Kontakt scheint derzeit nicht so recht zu funktionieren. "Die Unternehmen sagten uns, dass sie zwar viel machen würden, aber nicht wüssten, wie sie an die Jugendlichen herankommen sollen", berichtet Lindau-Bank. Das Informationsdefizit ist offenbar entsprechend groß.

Und dann mangelt es dem Nachwuchs häufig an grundlegenden Fähigkeiten, die im ersten Lehrjahr mühsam nachgearbeitet werden müssen. "Die Betriebe sehen hier zwar ihre Verantwortung, finden aber auch, dass die Jugendlichen besser vorbereitet werden könnten." Lindau-Bank empfahl ihnen, sich untereinander stärker als bisher zu vernetzen. "Die Zeiten, in denen sich die Firmen gegenseitig das Wasser abgruben, sind vorbei."

Bei den Mitgliedern des Jugendausschusses stießen die Ausführungen auf großes Interesse. Der Bericht war mit Spannung erwartet worden. Um aus dem Text die richtigen Konsequenzen zu ziehen, gründete das Gremium einen Arbeitskreis,  in dem auch die Schulen vertreten sind. Konkrete Empfehlungen sollen folgen, hieß es.

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