Nachtigall, ick hör dir trapsen: Jüngst war ich mit 2 Lohner Naturschützern und passionierten Vogelkundlern im Südlohner Moor unterwegs. Während ich mit falscher Beschuhung über den federnden Untergrund stampfte, spitzten meine Begleiter die Ohren. Wo ich lediglich Gezwitscher, Gepfeife und Geträller vernahm, hörten die beiden Hobby-Ornithologen aus der Kakophonie der Stimmen einzelne Vogelarten heraus. Das war beeindruckend und bedrückend zugleich, denn es machte mir bewusst, wie wenig ich mitunter im Alltag auf meine Umgebung achte.
Dabei kann der Sound der Natur viel über den Zustand des jeweiligen Ökosystems verraten. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sprach 2019 in einem Beitrag von der „Tonspur des Klimawandels“. Die noch junge Forschungsrichtung der „Akustischen Ökologie“ versucht, über den Klang eines Ökosystems auf seinen Allgemeinzustand zu schließen.
"Es raschelt und scharrt, kriecht und kreucht. Aber auch die Bäume teilen sich mit."Andreas Timphaus
Die Ökoakustik oder auch Soundscape Ecology geht auf den US-Musiker und Klangforscher Bernie Krause zurück. Um Flora und Fauna hörbar zu machen, starten Wissenschaftler wie der Schweizer Marcus Maeder einen Lauschangriff auf die Natur. Sie installieren Hunderte Mikrofone im Wald, die über Wochen oder Monate hinweg den gesamten Klangteppich aufnehmen – sowohl die natürlichen Geräusche (Biophonie) als auch den menschengemachten Sound (Anthropophonie). Diese Audiodaten werden mithilfe von Spektrogrammen ausgewertet, visualisiert und akustische Indizes erstellt, die Vergleichbarkeit schaffen.
Es raschelt und scharrt, kriecht und kreucht. Aber auch die Bäume teilen sich mit. So kann beispielsweise ein Knall im Stamm – 1000-fach akustisch verstärkt – auf den Durst der Bäume hindeuten. Wenn eine Wiese öfter als früher gemäht wird und dadurch mehr Heuschrecken sterben, ist auch das akustisch messbar.
Die Ökoakustikerin und Vegetationsbiologin Sandra Müller von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sagte im vergangenen März in einem Interview mit der „taz“: „Das Insektensterben kann man nicht nur sehen, sondern auch hören.“ Wenn der Mensch in Natur und Landschaft eingreift, wirkt sich dies auf die Artenvielfalt aus. Die Veränderungen sind oft akustisch rascher erkennbar als mit den Augen zu sehen.
Eine wichtige Erkenntnis der Forscher: Jeder Wald klingt anders. Und: Der Einfluss des Menschen hinterlässt Spuren.
Allerorts laufen inzwischen verschiedene Projekte zu dem Thema. Die Aufnahmen und die algorithmenbasierte Auswertung werden wohl noch Jahrzehnte andauern. Am Ende könnte im besten Fall ein flächendeckendes akustisches Monitoring stehen. Das Ziel ist in erster Linie der Naturschutz.
Ökoakustik kommt beispielsweise beim europaweiten Forschungsprojekt „Dr. Forest“ zum Einsatz. Dabei wird untersucht, inwiefern sich die Artenvielfalt eines Waldes positiv auf die Gesundheit eines Menschen auswirkt. Die Symphonie der Natur könnte künftig womöglich auch bei Umweltverträglichkeitsprüfungen oder der Entwicklung von Naturschutzkonzepten eingesetzt werden.
Zur Person:
- Andreas Timphaus ist Redakteur der OM Medien.
- Den Autor erreichen Sie per Mail an: redaktion@om-medien.de.