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Irmgard Rolfes hilft Menschen in ihren dunkelsten Stunden

Sehr persönliche Ansichten – immer dieselben 10 Fragen. Dieses Mal: Irmgard Rolfes. Sie ist Leiterin der Kreuzbundgruppe St. Peter und Paul in Garrel, seit 19 Jahren ist sie trockene Alkoholikerin.

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Leitet die Kreuzbund-Gruppe Garrel: Irmgard Rolfes ist seit 19 Jahren trockene Alkoholikerin. Foto: ©Rolfes

Leitet die Kreuzbund-Gruppe Garrel: Irmgard Rolfes ist seit 19 Jahren trockene Alkoholikerin. Foto: ©Rolfes

Und? Wie ging es in letzter Zeit?
Nicht ganz so optimal. Aus mehreren Gründen. Zum einen läuft es bei mir gesundheitlich nicht ganz rund, ein Krankenhausaufenthalt folgt auf den nächsten. Zum anderen mache ich mir Sorgen um 'meine Schäfchen' in der Kreuzbund-Gruppe. Die Mitglieder nehmen ihre Probleme teils nicht ernst genug, viele legen eine Null-Bock-Einstellung an den Tag, sie sagen die Treffen ab, weil sie sich nicht aufraffen können oder schieben fadenscheinige Ausreden vor. Zu meiner Zeit, als ich neu in der Gruppe war, war ich dankbar für alles, was ich aufsaugen konnte. Bis heute sind mir der Montagabend und die Treffen heilig. Diese Haltung vermisse ich bei vielen innerhalb der Gruppe.

Was haben Sie sich einmal so richtig gegönnt?
Seit meinem letzten Krankenhausaufenthalt gönne ich mir mittags immer eine Stunde Ruhe. Das bedeutet nicht, dass ich schlafe, sondern ich versuche, meinen Kopf freizubekommen. Das fällt mir bisweilen sehr schwer, aber jetzt zwinge ich mich dazu. Ich höre Musik oder lese ein Buch.

Wenn Sie Königin von Deutschland wären: Was gehört als Erstes abgeschafft?
Natürlich spielt das Thema Alkohol in meiner Funktion eine große Rolle. Darum wünsche ich mir strengere Kontrollen und eine Null-Promille-Grenze beim Autofahren. Wenn ich morgens die Zeitung aufschlage, lese ich jeden Tag in den Kurzmeldungen von Menschen, die sich stark alkoholisiert hinters Steuer gesetzt und womöglich sogar einen Unfall gebaut haben. Dabei bringen sie sich und vor allem andere in Gefahr. Das regt mich wahnsinnig auf. Ich selber bin nie betrunken Auto gefahren. Auch Jugendliche sollten frühestens mit 18 Jahren Alkohol trinken dürfen. Ich habe durch meine Präventionsarbeit schon zu viel gesehen und gehört. Nächste Woche besuche ich die Siebtklässler des ULF in Cloppenburg. Die Geschichten, die dann auf den Tisch kommen, gehen mir schon sehr an die Nieren. Viele Jungen und Mädchen kommen schon früh mit Alkoholmissbrauch in Berührung.

Welchen Traum werden Sie sich als nächsten erfüllen (können)?
Ich möchte gerne noch eine Kreuzfahrt machen, das Ziel wäre mir erst einmal egal. Aber das ist ein großer Traum, den ich mir mit meinem Mann noch erfüllen möchte.

Was tun Sie am liebsten?
Ich schreibe sehr gerne. Meistens Briefe und Karten an meine 'Schäfchen' aus der Kreuzbund-Gruppe, aber auch an alte Bekannte oder Menschen, die einsam sind. Allein in der Corona-Zeit habe ich mehr als 1000 Postkarten verschickt, die Portokosten waren nicht unerheblich. Ich sammle Sprüche, für jede Situation habe ich einen Karton mit Weisheiten, die den Menschen Mut machen sollen. Diese lege ich dann meiner Post bei. Ich backe aber auch sehr gerne, oft als Ausgleich zum stressigen Alltag oder wenn ich mich über etwas ärgere.

Welche Eigenschaften mögen Sie an sich selbst? Und welche nicht?
Ich mag an mir, dass ich kein Morgenmuffel bin. Trotz der vielen Eingriffe und Krankenhausaufenthalte in der vergangenen Zeit bin ich immer gut gelaunt, ich gebe nicht auf, ich bin ein Stehaufmännchen. Allerdings rege ich mich sehr schnell auf, nicht nach außen hin, aber nach innen. Daran muss ich arbeiten.

Welche TV-Sendung mögen Sie am liebsten?
Ich gucke so gut wie gar kein TV. Ich kann nicht so lange ruhig sitzen bleiben, mein Kopf hört nicht auf zu rattern. Dann ploppen Gedanken auf, wie "oh, die drei Oberhemden kann ich wohl noch schnell bügeln" oder "was koche ich morgen eigentlich?". Einen Krimi kann ich daher gar nicht zu Ende sehen. Ich höre lieber Musik und mache etwas nebenbei.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal treffen?
Ich würde gerne noch einmal mit meinem Bruder sprechen, er ist mit 57 Jahren gestorben. Mir fehlen die Gespräche mit ihm. Er stand immer hinter mir und hätte mich bei meinem Kampf gegen den Alkohol sehr unterstützt.

Was würden Sie gerne einmal wieder essen?
Wurstebrot und Grütze. Als Kinder haben wir das morgens schon vor der Schule gegessen. Dann waren wir auch den ganzen Tag satt. Meine Familie mag das nicht, weil es sehr fettig ist, deswegen koche ich das nicht. Aber für mich persönlich wäre das ein Festmahl.

Welches Thema in der MT hat Sie am meisten beschäftigt?
Die Leserbriefe. Ich finde es interessant, wie die Inhalte und die Berichterstattung beim Leser ankommen. Ich selber bilde mir auch immer eine Meinung, umso spannender finde ich es, die Ansicht anderer zu lesen, auch wenn ich längst nicht jede teile.


Zur Person:

  • Irmgard Rolfes leitet seit 13 Jahren die Kreuzbund-Gruppe St. Peter und Paul Garrel. Seit 19 Jahren ist sie trockene Alkoholikerin. 
  • Die 69-Jährige lebt mit ihrem Mann in Garrel.
  • Sie ist regelmäßig zu Gast in Schulen, um dort Präventionsarbeit zu leisten.
  • Sie ist Tag und Nacht für ihre „Schäfchen“ da und begleitet sie bei ihrem Kampf gegen den Alkohol.

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