Vorrang für die Wirtschaft, die Geschäfte müssen laufen – das ist der schlichte Grundsatz, nach dem die Europäische Union bisher ihre China-Politik ausgerichtet hat. Das gilt insbesondere auch für die jeweilige Beziehung der meisten EU-Mitgliedsstaaten zur Volksrepublik.
Eine Unterbrechung gab es lediglich nach dem Tiananmen-Massaker im Jahr 1989. Sanktionen gegen Peking folgten, aber es ging schon bald weiter mit dem Ausbau der ökonomischen Verflechtung.
Von der Werkbank zur Bedrohung
Sicher, es war immer wieder der mahnende Hinweis auf die Einhaltung der Menschenrechte zu hören. Auch Sperrungen von chinesischen Produkten für den EU-Markt wurden vorgenommen, wenn sie als gesundheitsgefährdend eingestuft wurden.
Gleichwohl: China galt lange als die Werkbank des Westens – und als riesiger Absatzmarkt. Heute geht die Angst vor chinesischer Dominanz um – in ökonomischer, technologischer und geostrategischer Hinsicht. China zeigt sich bereit, immer aggressiver die globale Vormachtstellung zu erreichen.
Aus der Formel kann nur schwer eine Strategie werden
Wie soll die EU sich da verhalten? Wenn Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Risiken mindern will, ohne sich abzukoppeln, scheint das für ein neu austariertes Verhältnis ein vernünftiger Ansatz zu sein. Aber es dürfte schwer sein, die Formel zu einer konkreten Strategie auszugestalten. Denn: Wann ist ein Risiko noch vertretbar? Und: Jedes EU-Land entscheidet selbst, wie eng es mit China kooperiert.
Peking sieht hier eine Schwachstelle, die es zu seinem Vorteil nutzen kann. Wenn von der Leyens Vorstoß es vermag, dass die Notwendigkeit zu einer festeren europäischen Einheit erkannt wird, wäre viel gewonnen.