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Image-Problem: Dem regionalen Energieanbieter passten schon die Spendierhosen nicht

Gästebuch: Zum 1. Juli erhöht die EWE die Gaspreise für Kunden in der Grund- und Erstversorgung um 30 Prozent. Dabei hatte sie schon oft die Spendierhosen an.

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Zum 1. Juli erhöht die Energieversorgung Weser-Ems (EWE) die Gaspreise für Kunden in der Grund- und Erstversorgung um 30 Prozent. Bereits im April hatte der Versorger seine Preise nach oben korrigiert. Energiemarkt, Preisdynamik, Ukraine-Krieg: Da komme vieles zusammen, sagt Herr Bolay. Und er muss es wissen. Denn schließlich ist Herr Bolay Geschäftsführer der EWE Vertrieb GmbH.

Dass vieles zusammengekommen ist in jüngster Zeit bei der EWE, das kann man wohl sagen. „Dat sünt dei van dei Überland,“ sagte „Onkel“ Hans immer. Der „Onkel“ war eigentlich kein Onkel; er hatte nur keine Frau gefunden. Und das führte bei ihm gelegentlich zu einer eigenwilligen Sicht der Dinge. Für die Energie sorgt der regionale Anbieter aus Oldenburg seit Jahrzehnten. Ob über oder unter Land.

Aber die Gesetze des Marktes verlangen Expansion. Immer größer, immer breiter, immer mehr Geschäftsfelder. 5,6 Milliarden Umsatz in 2020 – von mehr als 9000 Frauen und Männer erwirtschaftet. Das kann einen schon schwindlig machen und den Boden unter den Füßen in Rutschbahnen verwandeln. Großes Glück hat, wem es nicht zu glatt wird.

In den 60ern versprach die EWE: Strom kommt sowieso ins Haus

Die Werbung in den 60er Jahren versprach, dass Milch müde Männer munter mache, dass alle übers Wetter redeten, nur die Bundesbahn nicht und man nicht gleich in die Luft gehen sollte. Die Energieunternehmen warben mit dem Zweizeiler: „Strom kommt sowieso ins Haus. Nutz‘ das aus!“

Das ließen sich Vorstandsmitglieder der EWE nicht zwei Mal sagen und nahmen es wörtlich. Sie hängten den grauen Dreiteiler an den Versorger-Haken, schlüpften in die bunten Spendierhosen und schenkten der Stiftung der Klitschko-Brüder eine Viertelmillion Euro aus der EWE-Kasse. Um die Frage, ob die Vorständler solchermaßen den dicken Max heraushängen durften, streiten sich seitdem Juristen vom Strafrecht bis zum Arbeitsrecht. Einer der beiden Vorstandsmitglieder meinte ganz treuherzig, er sei stets davon ausgegangen, dass Herr Klitschko der EWE „für Werbezwecke“ zur Verfügung stehe. Da kauf ich mir 'nen Klitschko.

Passend dazu ein altes Diktum von Dieter Hildebrandt: Da brauchst du gar keine Witze mehr zu machen, da kannst du direkt loslachen. Bei der EWE herrschte ganz oben beste Stimmung. Geld spielte augenscheinlich keine Rolle. Was kostet die Welt? Das eine Vorstandsmitglied soll private Gäste auf Kosten des Unternehmens eingeladen haben: 2016 Mitglieder eines Mannheimer Feinschmeckerclubs für 3 Tage mit Programm nach Oldenburg; 2017 mehrere Bekannte an den VIP-Tisch zum Opernball der Stadt. Und danach vielleicht entspannungsmäßig zum Spiel des versorgereigenen Clubs EWE-Baskets? So lässt es sich leben. Kost‘ ja nix. Darauf einen Energy-Drink.

"Bei ihrer Suche nach dem reinigenden Glück stieß die EWE auf Fynn Kliemann."Otto Höffmann

So viel des schlechten Images geht gar nicht. Änderung muss her. Also wo ist die gute, die heile, die korruptionsfreie Welt? Bei ihrer Suche nach dem reinigenden Glück stieß die EWE auf Fynn Kliemann. Ein Instagram-Gutmensch, wie er im Buche steht, einer, der sich nicht lang mit Bürokratie aufhält. Hilfe für sozial schwache Familien, für Geflüchtete, hier ein Solidaritätssweatshirt, dort 20 Prozent für die Ukraine. Hey, eine gute Sache ist doch alles wert. Das ist unser Mann für unser Geld; sagte sich die EWE und spendierte in eine leuchtende Zukunft. Alles auf Fynn.

Doch wenn du einmal kein Glück mehr hast, dann kommt noch Pech dazu. Jetzt kommt heraus, dass der Gutmensch wissentlich minderwertige Masken an ein Flüchtlingslager gespendet hat. Und angesichts noch anderer Enthüllungen über den Influencer Kliemann ist auch seine Authentizität dahin. Die EWE sammelt wieder einmal die Scherben auf und hat sich von dem Sponsoring zurückgezogen.

Tipp: Mehr Energie für die eigenen Leisten, lieber Schuster, und den Größenwahn einhegen. Finger weg vom dicken Max. Schließlich stammt das Geld, was da mit großer Brust unter die Leute verteilt wird, von uns.


Zur Person:

  • Otto Höffmann ist Rechtsanwalt in Cloppenburg.
  • Sie erreichen den Autor per E-Mail an redaktion@om-medien.de.

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