Im Namen der Stadttauben
Kolumne: Die Generation Z zeigt’s Ihnen – Einst waren wir beste Freunde, jetzt nennen wir sie die Ratten der Lüfte – die Beziehung zwischen Mensch und Taube ist zerstört. Und das ist unsere Schuld.
Ella Wenzel | 01.05.2023
Kolumne: Die Generation Z zeigt’s Ihnen – Einst waren wir beste Freunde, jetzt nennen wir sie die Ratten der Lüfte – die Beziehung zwischen Mensch und Taube ist zerstört. Und das ist unsere Schuld.
Ella Wenzel | 01.05.2023
Wir lieben sie, wir hassen sie, sie gehören dazu, aber eigentlich will sie keiner sehen. Tauben. Kaum etwas ist so kompliziert, wie die Beziehung zwischen Taube und Mensch – besonders bei Stadttauben. Dabei waren wir einst beste Freunde. Was ist passiert? Die modernen Stadttauben sind die Nachkommen der Haustaube – einem Haustier, das der Mensch vor Jahrtausenden aus der Felsentaube gezüchtet hat. Wir sind also schuld daran, dass es jetzt so viele gibt. Im Gegenzug gaben sie uns Eier, Fleisch und machten sich als Mini-Postboten bezahlt. Und wieso hassen wir sie? Wie bei so vielen Dingen kann der Mensch den Hals einfach nicht voll genug bekommen. Immer mehr Tauben will er. Und als es dann zu viele Tauben waren, wurde mal schnell an dem Image geschraubt. Tauben, die lieben Luftexpresse und Freunde aus dem Himmel? Nein! Die Ratten der Lüfte! Die verschmutzen unsere Städte! Letzte Woche hat mich noch eine angeschissen! Das Blatt hat sich für unsere gefiederten Freunde gewendet. Statt über unsere gemeinsame Geschichte nachzudenken, fallen jetzt Worte wie „Krankheiten“, „Plage“ oder sogar „Pest“. Natürlich übertragen Tauben Krankheiten, aber was können sie denn dafür? Wenn wir sie in unseren Städten und Seen haben wollen, damit Oma Erna ihnen Brot zuwerfen kann, müssen wir uns auch um die Konsequenzen kümmern. Denn im Prinzip handelt es sich bei Stadttauben um wilde Tiere. Durch den Aspekt wildes Tier kann man sich wohl auch die Aussage meines Kollegen erklären. Als wir über Tauben geredet haben, war seine einzige Reaktion: „Hab eins aus der Fahrschule gelernt: immer drüberfahren.“ Na ja, wenigstens war es nicht komplett negativ. Aber was sagt die Gegenseite? Gurr gurr. Nein, Spaß beiseite. Statt uns auf das Negative zu fokussieren, sollten wir darüber nachdenken, wieso man Tauben lieben sollte. Kaum ein Tier ist so vielfältig. Man denke nur an die vielen Symbole. Zwei Menschen lieben sich? Turteltauben! Man reist in eine fremde Stadt, oder sogar ein anderes Land? Auch dort sind Stadttauben – wie ein Stück Heimat. Sie sind so verbreitet und gewohnt wie McDonalds-Filialen. Und dann wär da noch eins der höchsten Güter: der Frieden. Was repräsentiert denn den Frieden besser als eine Friedenstaube? Nach mir die Sintflut – und danach ein weißer Vogel mit einem Ast im Schnabel. Ob in der Bibel oder auf Hochzeiten – jeder versteht die Taube als positives Omen. Wie kann es also, dass sie in Städten so verpönt ist? Liegt es daran, dass wir dort keine Kontrolle über sie haben? Dass Tauben die so penibel geplanten Städte immer etwas chaotisch aussehen lassen. Denn Verwaltungen haben schließlich alles gegeben, um Städte so taubenfeindlich wie möglich zu machen. Sei es durch Gitter, Gift oder spitze Gegenstände an Fassaden oder Mauern – es ist schwer für die moderne Taube. Und dann muss sie auch noch damit umgehen, dass irgendein Rotzlöffel es lustig findet, sie und ihre Freunde die ganze Zeit hochzujagen. Hat dabei mal jemand an die Tauben gedacht? Vom Menschen wurde sie hochgezüchtet, dann im Stich gelassen. Brieftauben wurden obsolet, es gab andere Nahrungsquellen – was mit den Tauben passiert, war egal. In der Wildnis konnten die Haustauben nicht mehr leben, also zogen sie in die Städte. Nur, um da von Stacheldraht und Beleidigungen begrüßt zu werden. Das ist doch nicht nett. Also das hier ist für euch, Tauben: Ihr seid mir die liebsten Shopping-Kumpanen. Und die süßesten seid ihr ohnehin."Nach mir die Sintflut – und danach ein weißer Vogel mit einem Ast im Schnabel."Ella Wenzel
Zur Person
So verpassen sie nichts mehr. Mit unseren kostenlosen Newslettern informieren wir Sie über das Wichtigste aus dem Oldenburger Münsterland. Jetzt einfach für einen Newsletter anmelden!