Himmelherrgott, gib uns die Schrauber zurück
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Ich schwelge in Erinnerungen – wie unkompliziert damals noch die Autoinspektion ablief.
Christian Bitter | 17.05.2023
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Ich schwelge in Erinnerungen – wie unkompliziert damals noch die Autoinspektion ablief.
Christian Bitter | 17.05.2023
Zu Beginn der löblichen Fahrradkampagne „Stadtradeln im OM“ sprach mein eifersüchtiges Auto zu mir und erinnerte unterm Tacho an den dringend anhängigen „Service G“, der in spätestens 17 Tagen auszuführen sei. Zu Kaisers Zeiten hätte man gesagt: Das Auto muss zur Inspektion. Das klingt heute zu spießig und als „Service“ gleich einen Hauch dienstleistiger, vornehmer, medizinisch fast, ist es nicht schön? Man geht ja auch regelmäßig zum Zahnarzt. Warum soll mein Mazda es schlechter haben als ich? Ich packte den gleichsam ärztlichen Terminzettel ein und zog verdrießlich meiner Wege. Das Auto erinnerte im Display fortan pausenlos an den dämlichen „Service G“. Ich lächelte böse und lehnte mich entspannt zurück, wohl wissend, dass ich dem automatisierten Bitten und Betteln bald ein rühmliches Ende setzen würde. Das Radio spielte passgenau den Beatles-Klassiker „Baby, you can drive my car“ und erinnerte diskret an eine Zeit, in der noch Schrauber und Knuxxer das Sagen hatten und Petitessen wie eine Jahresinspektion vorm Volltanken erledigt wurden. Bei Esso-Kramer in Vechta wurden bis 1975 obendrein die Scheiben gewaschen, aber präzise. Damals war’s, der Mond schien helle. Nach knapp 3 Wochen dann die in automobilen Fachkreisen hoch gerühmte Dialogannahme. Ich freute mich auf kurze 10 Minuten im Autohaus, eben die Karre hinstellen, Schlüssel hinwerfen, Ersatzwagen anblasen, man hat ja auch noch anderes zu tun. Nun, es wurde ein halbes Stündchen, die Schalterdamen mussten noch eben den zuständigen Meister herbeirufen, das sei dann doch besser, man wisse ja nie. Ob ich einen Tee wünsche, um die Wartezeit zu verkürzen. Ich nahm dankend an und las zur Zerstreuung das Diepholzer Kreisblatt von vorvorgestern, andere Opfer nickten mir freundlich zu. Als der Tee erkühlte, erschien ein gut aufgelegter Meister. Wir schlichen gemeinsam um die Limousine, ob denn sonst noch was kaputt, der Ölstand angemessen und die Zufriedenheit groß sei? Ich nickte hastig und sah auf die Uhr; er verstand und begann umgehend sein Tagwerk. Des Nachmittags durfte ich den Wagen abholen und klickte mich im mittlerweile herrlich durchinspektionierten PKW hastig durch die Infomenüs: Der nächste Service ist erst in 326 Tagen. Ich freu mich schon drauf.
Ich versuchte eine Terminierung via Internet, das war aber viel zu umständlich. Entnervt eilte ich in persona zum Autohaus meines Vertrauens und erflehte ein Date vor Ort: „Die nächsten 2 Wochen ist nichts zu machen. Wir sind bis oben hin voll“, sprach die Kundenberaterin hinterm Tresen. „Ich könnte den 15. anbieten, 8 Uhr 30.“ Ich wies unter Tränen auf die zackige Meldung in meinem Cockpit hin, da sei von dringlichen Fristen die Rede gewesen. Sie wischte alle Zweifel beiseite, das müsse man nicht so ernst nehmen, das sei auch anders hinzukriegen.„Das Radio spielte passgenau den Beatles-Klassiker ,Baby, you can drive my car' und erinnerte diskret an eine Zeit, in der noch Schrauber und Knuxxer das Sagen hatten und Petitessen wie eine Jahresinspektion vorm Volltanken erledigt wurden.“Christian Bitter
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