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Heute schon gelobt?

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Wer lobt eigentlich wen und wann ist es angebracht?

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Dr. Heinrich Dickerhoff

Dr. Heinrich Dickerhoff

Haben Sie heute schon gelobt? Vielleicht sich selbst? Eigenlob stinkt nur, wenn man damit bei anderen angeben will. Sich selbst darf man ruhig einmal sagen: „Das hast du gut hingekriegt!“ Loben tut gut. Macht Mut. Und feuert an. Darum sollen Eltern, Lehrkräfte und Vorgesetzte oft und gern loben. Sicher brauchen wir auch Kritik, um weiterzukommen. Aber es macht mut- und lustlos, wenn vor allem auf das geachtet wird, was noch nicht gut ist, was danebengeht oder in die Hose. Darum wird unsere zweijährige Enkelin nach erfolgreicher Sitzung auf dem Töpfchen ausgiebig bejubelt. „Bravo! Bravo! Großes Mädchen!“ Und sie fordert das auch ein. Mit der Zeit wird sie schon lernen, dass im Leben nicht jeder Stuhlgang gefeiert werden muss.

Denn Selbstverständliches muss man nicht loben. Dank ist – wie ein freundlicher Gruß – immer angebracht. Zwar wird die Kellnerin, die mir an einem heißen Sommertag ein kaltes Getränk bringt, dafür bezahlt. Aber mit meinem Danke erkenne ich an, dass sie rennt und ich sitze. Und wenn mir allmorgendlich die nette Verkäuferin im Einkaufsmarkt meines Vertrauens Brötchen über die Ladentheke reicht, sage ich „Danke“, aber nicht „gut gemacht!“ Das wäre auch fast schon eine Beleidigung. Lobe gern und oft, aber das muss schon ernst gemeint sein.

"Und was ist mit dem "ganz oben"? Auch Gott wird kaum noch gelobt, selbst in den Kirchen geht es mehr um als Bitten getarnte moralische Appelle."Dr. Heinrich Dickerhoff

Wer lobt wen? In autoritären Zeiten und Staaten müssen die „Kleinen“ die Machthaber loben. Ihnen huldigen. Hier und heute ist es eher umgekehrt. Es lobt, wer mehr zu sagen hat. Der Chef die Mitarbeiterin, die Lehrerin den Schüler, die Mutter das Kind. Lob ist keine Huldigung, sondern oft eine wohlwollende, aber leicht herablassende Beurteilung durch „Höhergestellte“. „Die da oben“ hingegen werden kaum gelobt, über sie wird eher geschimpft.

Und was ist mit dem „ganz oben“? Auch Gott wird kaum noch gelobt, selbst in den Kirchen geht es mehr um als Bitten getarnte moralische Appelle. Dabei ist das Lob in der Bibel eine besonders wichtige Weise, sich unter einem offenen Himmel zu erfahren. Ob Gott unser Lob braucht, bezweifelt schon die Bibel. Aber uns tut solches Lob gut. Gott lobend erkenne ich an, dass da mehr ist als mein Horizont. Und dass ich verbunden bin mit „allem, was Atem hat“. Mit allen, die mit jedem Atemzug und jedem Wachsen und Blühen Ja sagen zum Leben. Denn das bedeutet für die Bibel loben: Einstimmen in das Große Ja zum Leben. Weil es nicht mehr um mich und meine Befindlichkeit geht, hilft Loben mir, etwas Abstand zu halten zu meinen Sorgen und Launen. Sie sind nicht alles, was zählt. Das Leben ist so viel mehr.

Loben. Sich freuen an dem, was mir und anderen gelingt. Und einstimmen in das große Ja zum Leben. Das macht dankbar. Und gelassener. Also: Heute schon gelobt?


Zur Person:

  • Heinrich Dickerhoff ist Akademiedirektor in Rente, Hausmann und arbeitet als freiberuflicher Dozent.
  • Er wohnt in Cloppenburg.
  • Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de

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