Genn kämpft gegen Machtmissbrauch
Der Bischof von Münster will sich von einer Schiedskammer überprüfen lassen. Eine Disziplinarkammer soll übergriffige Priester sanktionieren, auch wenn keine Straftat vorliegt.
Ulrich Suffner | 14.06.2023
Der Bischof von Münster will sich von einer Schiedskammer überprüfen lassen. Eine Disziplinarkammer soll übergriffige Priester sanktionieren, auch wenn keine Straftat vorliegt.
Ulrich Suffner | 14.06.2023
"Null Toleranz": Bischof Dr. Felix Genn scheint es ernst zu meinen mit der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster. Foto: dpa
Der Münstersche Bischof Dr. Felix Genn hat am Mittwoch in einem Brief an kirchliche Mitarbeiter und Ehrenamtliche sein Ziel bekräftigt, sexuellen Missbrauch durch kirchliche Verantwortungsträger zukünftig zu verhindern. „Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch ist keineswegs vorbei“, heißt es im Schreiben des Bischofs, der auch für die Katholiken im Oldenburger Land zwischen Damme und Wangerooge zuständig ist. Der Kirchensteuerrat des Bistums habe 1,75 Millionen Euro für eine noch zu gründende Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Münster bewilligt. „Täter sollen wissen, dass ich mich ihnen gegenüber von einer Haltung der Nulltoleranz leiten lasse“, schreibt der Bischof. Null Toleranz gelte auch bei grenzüberschreitenden und unangemessenen Verhaltensweisen, wie sie aktuell dem ehemaligen Münsterschen Dompropst und gebürtigen Cloppenburger Kurt Schulte zur Last gelegt werden. Um künftig in solchen strafrechtlich nicht relevanten Fällen Disziplinarmaßnahmen aussprechen zu können, kündigt Genn die Einrichtung einer Disziplinarkammer an, „um eine derzeit bestehende Regelungslücke zu schließen“. Die Kirchenrechtler Professor Dr. Thomas Schüller und Dr. Thomas Neumann sollen bis September zudem eine Rechtsordnung für eine ebenfalls neue Schiedskammer vorlegen, vor der künftig kirchliche Verwaltungsakten überprüft werden können. Genn betont, er stelle sich „gerne den Urteilen solcher Verwaltungsgerichte und damit einer unabhängigen Kontrollinstanz“. Auch Personalentscheidungen sollen im Bistum Münster künftig transparenter getroffen werden. Genn spricht sich noch einmal nachdrücklich für die Einführung eines Synodalen Rates für die katholische Kirche in Deutschland aus. Dieser war im innerkirchlichen Reformporzess „Synodaler Weg“ von Bischöfen und Laienvertretern beschlossen worden. „In Rom gibt es in diesem Zusammenhang die Sorge, ich würde als Bischof meine Letzt-Verantwortung für Glaube, Sitte und Recht abgeben wollen“, erläuterte Genn. Es gehe aber vielmehr um einen „guten Weg des Miteinanders von Bischöfen und Nicht-Bischöfen“. Macht und Verantwortung sollten laut Genn neu verteilt werden. Auf Einladung der Betroffeneninitiative im Bistum Münster habe Genn sich im März mit 60 Betroffenen getroffen, denen schwerstes Leid zugefügt worden sei. Weiter weist er Kritik an seiner Informationspolitik bei neu bekannt werdenden Missbrauchsfällen zurück. Er habe Wünsche der Betroffenen und Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten mit dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen. Laut Genn hat eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Betroffenen Vorschläge vorgelegt, wie im Umfeld der Bischofsgruft im St.-Paulus-Dom und generell mit Gräbern von Tätern, Beschuldigten und Vertuschern umgegangen werden soll. Dem soll ein Austausch mit dem Domkapitel und betroffenen Pfarreien folgen. Im kommenden Jahr soll in allen Pfarreien des Bistums Münster eine Trauer-Blutbuche zum Gedenken an die Missbrauchsopfer im Bistum gepflanzt werden. Bewährte Strukturen des Bistums wie Ansprechpersonen für Betroffene, die Interventionsstelle oder auch der ständige Beraterstab des Bischofs bleiben gleichwohl bestehen. Wissenschaftler der Uni Münster seien beauftragt worden, grundlegende Faktoren geistlichen Missbrauchs zu erforschen und Perspektiven für die Prävention zu entwickeln. Bestehende Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung sexueller Gewalt sollen weiterentwickelt werden.„Wenn wir wissen, dass Machtkonzentrationen in der Vergangenheit sexuellen Missbrauch begünstigt haben, dann müssen wir das ändern.“Dr. Felix Genn, katholischer Bischof von Münster
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