Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Erinnerungen an die Erstkommunion

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Die  Erstkommunion weckt Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit dem Glauben: von Lichtblicken und dem Leib Christi.

Artikel teilen:

In diesen Wochen wurde in unserer Region Erstkommunion gefeiert. Zwar ist die Zahl der Kommunionkinder deutlich zurückgegangen, aber noch immer ist dieser Tag für viele ein wichtiges Familienfest. „Der erste große Auftritt ihres Kindes“, stand über der Anzeige eines hiesigen Bekleidungsgeschäftes, was wohl nicht ganz den ursprünglichen Sinn dieses Festes trifft. Und mir wurde erzählt, in unserer Region gäbe es Gemeinden, die den gemeinsamen Erstkommuniontermin zugunsten einer kundenfreundlichen Regelung aufgegeben hätten.

Wenn man in einem Restaurant einen Platz für das Festessen gefunden hätte, könne man den individuellen Erstkommuniontermin des Kindes passend dazu übers Internet buchen. Kirche kann also auch flexibel und kundenorientiert sein – obwohl mir dieses Beispiel eher seltsam vorkommt. Aber ich will nicht zu streng urteilen. Auch von meiner Erstkommunion 1961 ist mir nichts aus der Kirche in Erinnerung geblieben, wohl aber, dass es mittags mein damaliges Lieblingsessen gab: Ochsenzunge in Madeira-Sauce.

"Auch wenn das in der offiziellen Kirchenlehre und den Durchführungsbestimmungen der kirchenamtlichen Gottesverwaltung nicht vorgesehen ist: manchmal mag der Leib Christi wohl auch die Gestalt einer Torte haben."Dr. Heinrich Dickerhoff

Die schönste Erinnerung an den Tag der Erstkommunion hat mir vor Jahren in Freiburg ein Gefängnispfarrer erzählt. Geboren war der um 1940 in einem abgelegenen Bergdorf im Schwarzwald. Als er drei Jahre alt war, starb seine Mutter. Der Vater war völlig überfordert von der Situation, vielleicht auch eingezogen als Soldat – jedenfalls gab er seine drei Kinder gleich ins Waisenhaus.

Und die Geschwister blieben nicht einmal zusammen. Der kleine Dreijährige kam, ohne einen Menschen, den er kannte, in ein von Ordensfrauen geführtes Kinderheim. „Es war schrecklich dort für mich“, erzählte er mir. „Die Nonnen taten, was sie konnten, aber ihre langen dunklen Gewänder und ihre immer ernsten und strengen Gesichter machten mir Angst, und ich vermisste meine Mutter und meine Geschwister. Alles dort kam mir düster vor, kalt und lieblos.“

Noch vor der Währungsreform 1948 ging er dann zur Erstkommunion. „Es war eine schlechte Zeit“, erzählte er weiter, „und doch bekamen die meisten Kinder ein kleines Geschenk, und ihr Lieblingsessen wurde gekocht. Aber nichts davon gab es im Waisenhaus. Wer hätte Waisenkindern auch etwas schenken sollen. Doch am Nachmittag kam eine Familie aus dem Dorf, die auch ein Kommunionkind hatte, zu mir ins Heim und brachte mir eine Torte. Die ist sicher eher klein gewesen“, sagte er lächelnd, „aber in meiner Erinnerung ist sie riesengroß.“ Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er leise: „Von dieser Torte lebe ich heute noch!“ Auch wenn das in der offiziellen Kirchenlehre und den Durchführungsbestimmungen der kirchenamtlichen Gottesverwaltung nicht vorgesehen ist: manchmal mag der Leib Christi wohl auch die Gestalt einer Torte haben.


Zur Person:

  • Heinrich Dickerhoff ist Akademiedirektor in Rente, Hausmann und arbeitet als freiberuflicher Dozent.
  • Er wohnt in Cloppenburg.
  • Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.

So verpassen sie nichts mehr. Mit unseren kostenlosen Newslettern informieren wir Sie über das Wichtigste aus dem Oldenburger Münsterland. Jetzt einfach für einen Newsletter anmelden!

Das könnte Sie auch interessieren

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Erinnerungen an die Erstkommunion - OM online