Ich saß im Frühstücksraum eines Norderneyer Hotels und versuchte krampfhaft, einige sinnvolle Sätze auf die Rückseite einer bunten Postkarte zu platzieren. „Schönes Wetter, Sand und Strand, Wolken und Wind – alles zieht dahin, mein Kind.“ Nichts passte, nicht einmal nach der dritten Tasse pechschwarzen Kaffees.
„Hirn, nimmt Fahrt auf“, murmelte ich so vor mich hin und blickte ratsuchend zur besten Ehefrau von allen. Die aber knabberte weiter an ihrem frisch belegten Brötchen und überließ mich meinem selbstverschuldeten Elend.
Wir wurden einfach zu früh geboren, ganz klar. Damals gab es nur die handelsübliche menschliche Intelligenz, die offensichtlich je nach Laune des Schöpfers über die zur Welt kommenden Erdlinge ausgestreut wurde. Und die sich nicht einfach ein- und ausschalten lässt.
Moderne Erdlinge sind uns um Lichtjahre voraus. Sie nutzen eines dieser mit künstlicher Intelligenz gesegneten Computerprogramme. Vermutlich funktioniert das auch mit der oft ja vorhandenen Hausfreundin „Alexa“, die man wie folgt ansprechen könnte: „Alexa, sag‘ mal der KI, sie soll einen flotten Postkartenspruch für einen Gruß von Norderney formulieren!“ Plink, plink, schon wirft die mit allem Sinn und Unsinn vollgepfropfte Maschine einen Vorschlag aus: „Ich grüße Euch aus Norderney, die Seeluft macht den Kopf ganz frei. Und komm‘ ich morgen wieder, hab‘ ich gesunde Glieder!“
"Wer sagt denn, dass nicht auch schon dieser Text von der künstlichen Intelligenz kreiert wurde?"Andreas Kathe
Na, so einen Blödsinn würde ich natürlich niemals schreiben. Wobei, und diese Frage werden Sie sich sicherlich selbst gestellt haben: Wer sagt denn, dass nicht auch schon dieser Text von der künstlichen Intelligenz kreiert wurde? Der angebliche Autor lungert derweil mit einem Sundowner in der Hand auf dem Promenadendeck der Frisia IV.
Tscha, die Antwort, mein Kind, weiß ganz allein der Wind. Wobei ich auch nicht in der Haut jener Pädagogen und Professoren stecken möchte, die künftig die Hausarbeiten von Abermillionen Schülern und Studenten prüfen müssen: Welche sind echt, welche künstlich? Die Intelligenz lasse ich in diesem Zusammenhang mal vorsichtshalber weg.
„So fliegen die Gedanken hin und her“, murmele ich. Die Ehefrau lächelt, streicht mit der einen Hand über mein schütteres Haupthaar und stellt mit der anderen ihr halbleeres Sektglas neben den Sundowner.
Zur Person:
- Der Journalist Andreas Kathe lebt in Dinklage.
- Lange Jahre war er Redakteur und Redaktionsleiter der OV.
- Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.