Ein Schnipsel des Heiligen
Kolumne: Auf ein Wort – die Kapelle wird auch im neuen Vechtaer Krankenhaus ihren Platz finden und stellt für Patienten, Angehörige, Pflegekräfte und Ärzte einen Zufluchtsort dar.
Dietmar Kattinger | 25.07.2023
Kolumne: Auf ein Wort – die Kapelle wird auch im neuen Vechtaer Krankenhaus ihren Platz finden und stellt für Patienten, Angehörige, Pflegekräfte und Ärzte einen Zufluchtsort dar.
Dietmar Kattinger | 25.07.2023
Ich kenne sie nicht – die Architektengemeinschaft Gerlach Schneider Partner aus Bremen. Aber ich fantasiere, dass irgendeiner der Mitarbeiter dort geflucht hat: geschimpft, als er oder sie den Plan für das neue Krankenhaus in Vechta zeichnen sollte. Der Raum ist geblieben für Patienten und Angehörige, die verzweifelt sind, weil es für sie oder einen lieben Angehörigen keine Hoffnung mehr gibt. Für Beladene an Leib und Seele. Für Ärzte und Pflegekräfte. Als Schutz- und Freiraum für ungerecht Behandelte, politisch Verfolgte und wen auch immer. Auch ohne hohen Kirchturm verweist der Leerraum nach oben. Hin auf die andere Dimension. Ein kleines Gotteshaus, das in Deutschland und in vielen Ländern dieser Welt viele große Brüder und Schwestern hat. Kathedralen und andere Gotteshäuser in Fußgängerzonen, in die jetzt in diesem Moment scharenweise Menschen strömen mit Strohhut auf dem Kopf und Handy in der Hand. Einen Grund muss es haben, warum sie vom geschnitzten Hochaltar vorne im Chorraum und von der Marienstatue hinten rechts ein Foto machen und einen Schnipsel des Heiligen mit nach Hause nehmen wollen. Einen Grund muss es haben, warum sie ungebremst um Altäre herumlaufen, den letzten Quadratzentimeter versuchen zu erobern, würden sie nicht durch dicke rote Seile oder metallene Lettner sowie den Hinweis auf die Alarmanlage davon abgehalten.
Warum? Weil es neben den 28.800 Quadratmetern (vier Fußballfelder!) auf sechs Stockwerken für 195 Millionen Euro in modernstem Style einen Pferdefuß geben soll: eine denkmalgeschützte Kapelle. Und die auch noch unübersehbar rechts direkt neben dem Eingang (auf Google zu finden über „Krankenhaus + Vechta + Lohne + Neubau“).
Warum und wie auch immer: Das Gotteshaus hat es laut Plan geschafft, seinen Platz zu behalten neben all dem, was neu entsteht und von dem es gut ist, dass es gebaut wird!
Die Kapelle soll ihren Platz behalten als Zeichen dafür, dass vieles machbar ist (welch Segen, dass wir den medizinischen Fortschritt haben!), aber auch nicht alles."Die Kapelle soll ihren Platz behalten als Zeichen dafür, dass vieles machbar ist (welch Segen, dass wir den medizinischen Fortschritt haben!), aber auch nicht alles."Dietmar Kattinger
„Gott einen Ort sichern“ hat die französische Mystikerin der Straße, Madeleine Delbrel, formuliert. Beim geplanten Krankenhaus in Vechta könnte das Wirklichkeit werden. Rein optisch ergäbe sich sogar eine positive Spannung zwischen dem Old-Style der Kapelle und dem New-Style des Neubaus. Also: Alles richtig gemacht. Wer auch immer es war.Zur Person:
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