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Ein Bischof am Boden

Kolumne: Auf ein Wort – Bischof Bode wurde damals zum Symbol für eine Kirche, die sich in Grund und Boden schämt; die aber auch nach dem tiefsten Grund fragt, der sie trägt.

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Karfreitag 1998. Gefeiert wird die Liturgie vom Leiden und Sterben Jesu im Hohen Dom zu Münster. Einer der älteren Weihbischöfe war der Hauptzelebrant. Ein Kurskollege und ich sollten ihm als Diakone assistieren. Nach uraltem Brauch beginnt diese Liturgie damit, dass sich die Priester und Diakone zu Boden werfen. Währenddessen kniet die Gemeinde in Stille. Dieser Brauch wird bis heute in den meisten katholischen Kirchen gepflegt.

Vor der Liturgie hatte der alte Bischof uns Diakone eindringlich ermahnt: „Wenn wir nachher auf dem Boden liegen und ich nicht mehr hochkomme, müssen Sie mir wiederaufhelfen.“ Mein Kurskollege aber, der diesen Bischof nicht besonders mochte, meinte nur spitzbübisch: „Ich hoffe, dass ich daran denke. Ich vergesse schon mal etwas. Manchmal lasse ich etwas liegen.“ Diese freche Bemerkung hat den Bischof irritiert. So wie dieser alte Ritus uns alle irgendwie irritiert, aber auch fasziniert, wenn wir ihn miterleben. Prostratio heißt diese liturgische Tradition.

1. Advent 2010. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode liegt ausgestreckt am Boden. Am Abend des 28. November war die Domgemeinde und das ganze Bistum zu einem Bußgottesdienst eingeladen. Seit Beginn des Jahres waren immer mehr Fälle sexueller Gewalt durch Priester und andere kirchliche Mitarbeiter an Kindern und Jugendlichen bekannt geworden. In einem Bußgebet hatte der Bischof sich stellvertretend für viele Verantwortliche angeklagt, dass durch eigene Versäumnisse ein „Nährboden“ für diese Verfehlungen entstehen konnte.

"Die Kirche am Boden. Natürlich reichen liturgische Zeichen nicht aus, wenn ansonsten alles beim Alten bleibt."Dr. Marc Röbel

Heute wissen wir noch mehr darüber. Wissenschaftliche Studien durchleuchten diesen „Nährboden“ schonungslos. Bischof Bode wurde damals zum Symbol für eine Kirche, die sich in Grund und Boden schämt; die aber auch nach dem tiefsten Grund fragt, der sie trägt. Dieses starke Bild wird für mich immer unvergesslich bleiben. Am vergangenen Samstag ist er über diese symbolische Handlung hinausgegangen und hat seinen Rücktritt öffentlich gemacht.

Die Kirche am Boden. Natürlich reichen liturgische Zeichen nicht aus, wenn ansonsten alles beim Alten bleibt. Aber die äußeren Zeichen und Gebärden der Liturgie können doch eine Hilfe sein, dass sich unser Inneres bewegt – und wir Schritte der Veränderung wagen. Am nächsten Karfreitag wird es wieder in vielen Kirchen die Prostratio geben: die Kirche am Boden.

Dieses Zeichen tut uns gut, damit wir die Bodenhaftung nicht verlieren. Am Gründonnerstag erinnert uns die Liturgie an Jesus selbst, der sich im Gebet zu Boden wirft. Das ist ein Bild der Einsamkeit, aber auch des Vertrauens. Jesus erleidet die Bauchlandung seines Lebens. Aber er fällt nicht ins Bodenlose; er wird von der Liebe seines Vaters getragen. Dieses Bild sagt mir: Unser Gott lässt niemanden einfach liegen. Er legt sich in dein Leben rein!


Zur Person:

  • Pfarrer Dr. Marc Röbel ist Geistlicher Direktor der Katholischen Akademie in Stapelfeld.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail an redaktion@om-medien.de.

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