"Dinkelbrötchen belegt? Das kann ich nicht machen"
Meine Woche: Wer mit dem Rad durch Ostfriesland und das nördliche Emsland fährt, sieht viel und weit, in diesem Fall leider auch eine Service-Wüste.
Normann Berg | 23.07.2023
Meine Woche: Wer mit dem Rad durch Ostfriesland und das nördliche Emsland fährt, sieht viel und weit, in diesem Fall leider auch eine Service-Wüste.
Normann Berg | 23.07.2023
Kurzurlaub. 5 Tage. Wohin? Ostfriesland. Da ist es schön. Da gibt es Ruhe und Weite in Hülle und Fülle. Da kann man gleichwohl jede Menge erleben, auch wenn diese Erlebnisse eher leiser Natur sind. So sollte es auch diesmal sein. Ziel der ersten Etappe und Basispunkt für die nächsten Tage ist Leer, die zweifellos schönste Stadt im Nordwesten. Glauben Sie nicht? Dann waren Sie entweder noch niemals dort oder Sie haben einen schlechten Tag erwischt. Egal. Leer: Das ist auf der einen Seite eine komplett durchrestaurierte Altstadt, auf der anderen Seite das relativ neue Nesse-Gelände mit moderner Architektur. Alt und neu, verbunden über zwei Brücken, dazwischen das Hafenbecken mit Ausflugsschiffen, Museumshafen und Promenade. Hier lässt es sich aushalten. Zurück aufs Rad. Tagestour nach Emden. Wer das auch tun möchte, nimmt bitte auf gar keinen Fall die stark befahrene Straße entlang des Emsdeichs, mitsamt des schlechtesten Fahrradwegs der Welt, sondern wählt die beschauliche Route über Eisinghausen, Neermoor, Oldersum und dann immer entlang des Ems-Seitenkanals. Herrlich. Der Rückweg führt zunächst über die Emsfähre von Petkum nach Ditzum. Letzteres befindet sich im Rheiderland, einem sehr speziellen Landstrich, dessen westlicher Teil in den Niederlanden liegt und dort Reiderland heißt, also ohne "h". Hier kann man tatsächlich morgens schon sehen, wer nachmittags zum Tee kommt, so flach und weit ist das Land. Entsprechend stark weht mitunter der Wind. Ein steiler Anstieg im Allgäu ist im Vergleich zum Gegenwind zwischen Hatzum und Critzum der reinste Kindergeburtstag. So auch jetzt: Eigentlich will ich in Hatzum rechts abbiegen, verpasse aber den richtigen Zeitpunkt, fahre 4 Kilometer wieder zurück und mache dabei die Rechnung ohne besagten Gegenwind. Anfängerfehler. Seis drum. Ich will nach Hatzumerfehn, eines der wenigen Fleckchen, das mir in dieser Gegend noch unbekannt ist. Und es lohnt sich. Nachdem die Gegenwind-Strapazen aus den Beinen geschüttelt sind, eröffnet sich an einem kleinen Schloot ein Panorama, das seinesgleichen sucht. Landschaft bis zum Horizont, Schönwetterwolken, ein blauer Himmel, wie ihn nur Ostfriesland zu bieten hat, saftig grüne Wiesen. Wie ein Werk des Fotorealisten Heiner Altmeppen, nur in echt. Eine der nächsten Touren führt wieder an der Ems entlang, diesmal nach Papenburg. Bei Weener bringt einen die kleine Friesenfähre auf die andere Flussseite. Besonders spannend an der Überfahrt ist der Blick von der Wasserseite auf die Baustelle der Friesenbrücke. Das Bauwerk war Ende 2015 von einem Frachtschiff gerammt und zerstört worden. Ende 2024 soll die neue Brücke fertig sein, aktuell schwer vorstellbar. In Papenburg angekommen, nördliches Emsland, meldet sich der kleine Hunger. In der Filiale einer großen regionalen Bäckereikette frage ich, ob es auch Dinkelbrötchen gibt. "Ja", sagt die Verkäuferin. "Dann hätte ich gerne zwei Dinkelbrötchen, belegt mit Käse, Tomate und Gurke", entgegne ich. "Dinkelbrötchen belegt? Das haben wir nicht im Sortiment, das kann ich nicht machen. Normale Brötchen kann ich ihnen belegen", sagt die Fachkraft. Auf mein ungläubiges Staunen und den Hinweis, dass ich genau die ja nicht haben möchte, zuckt sie nur mit den Schultern. Ich verlasse das Geschäft. Ohne Dinkelbrötchen. Niemand in dieser Service-Wüste hält mich auf. Ich fahre wieder zurück nach Ostfriesland. Relativ schnell. Da ist es nicht nur schöner. Es gibt auch belegte Dinkelbrötchen."Hier kann man tatsächlich morgens schon sehen, wer nachmittags zum Tee kommt, so flach und weit ist das Land."Normann Berg
9 Jahre für eine neue Brücke, wenn es denn klappt
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