Die Verteidigerin hatte den richtigen Tipp parat
Kolumne: Recht hat, wer Recht bekommt – Eine 66-jährige Angeklagte hatte eine ungewöhnliche Erklärung für ihre begangenen Straftaten. Sie leidet an einer Kleptomanie.
Klaus Esslinger | 30.07.2023
Kolumne: Recht hat, wer Recht bekommt – Eine 66-jährige Angeklagte hatte eine ungewöhnliche Erklärung für ihre begangenen Straftaten. Sie leidet an einer Kleptomanie.
Klaus Esslinger | 30.07.2023
Als Gerichtsreporter erlebt man immer wieder was Neues. Die Straftaten sind ja fast immer gleich. Beispielsweise die Diebstähle. Es gibt aber immer wieder auch mal einen Fall, den man so noch nicht gehört hat. Das war bei einer 66-jährigen Angeklagten so. Sie kam zu spät zur Verhandlung vor dem Strafgericht, aber sie kam auch von weit her, wohl aus der Hamburger Ecke. Sie sollte um 10.30 Uhr in Vechta sein, da kann man wohl etwas Verspätung haben, dachten alle. Die Anklage warf ihr vor, im November und Dezember 2022 in Vechta und Visbek jeweils Diebstähle in Verbrauchermärkten im Wert von 235,18 und 185,19 Euro begangen zu haben. Sie war mit vollen Einkaufswagen ohne zu zahlen durch die Kasse gegangen. Geht also auch. Woher sie Vechta und Visbek kannte, behalte ich mal für mich. Die Angeklagte gab die Taten unumwunden sofort zu und erklärte dann in einem längeren Gespräch, dass sie unter einer Kleptomanie leide und nicht anders könne. Sie gehe in einen Supermarkt, um drei oder vier Teile zu kaufen. Dann bekomme sie einen Impuls und könne nicht anders, als den Einkaufwagen vollzupacken, auch mit Waren, die sie nicht haben wolle und auch nicht brauche. Sie zählte dann dem Gericht auf, wie viel Therapien sie schon gemacht habe, was sie schon alles getan habe. Sie habe Gutachten über sich anfertigen lassen. Es sei ihr immer wieder gesagt worden, sie leide an einer nicht heilbaren Krankheit. Dem Strafrichter war das schon klar, aus den Akten über die Frau ging vieles von dem, was sie aussagte, hervor. Insgesamt hatte die Angeklagte 33 Vorstrafen und viele Freiheitsstrafen, die sie verbüßt hatte und auch viele Strafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Aktuell stand sie auch unter Bewährung. Wegen der vielen Strafen war der Angeklagten auch eine Pflichtverteidigerin beigeordnet worden. Der Staatsanwalt und der Strafrichter verstanden die Einlassung der Angeklagten über ihre Kleptomanie, die den Zwang zu klauen als eine Krankheit oder als Symptom anderer psychischer Probleme bedeuten könnten. Sie waren sich aber einig, die Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung zu verurteilen, das passierte dann auch. Verteidigerin Susanne Tölke hatte aber den richtigen Vorschlag für die Angeklagte, die erneut eine Therapie antreten will: "Einfach nicht alleine einkaufen gehen." Nur so gehe es!"Es sei ihr immer wieder gesagt worden, sie leide an einer nicht heilbaren Krankheit."
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