Die Katzen, die Klassenfahrten und ich
Meine Woche: Die Tochter geht auf Tour; die Mutti schwelgt in Erinnerungen.
Anke Hibbeler | 12.03.2023
Meine Woche: Die Tochter geht auf Tour; die Mutti schwelgt in Erinnerungen.
Anke Hibbeler | 12.03.2023
W-Lan? Gibt es gratis, zumindest im öffentlichen Raum. Aber auch sonst liest sich die Selbstbeschreibung des Ortes, an dem meine Tochter von Montag an die erste Klassenfahrt ihres Lebens verbringen wird, für eine alte Frau wie mich prima. Es geht immerhin in ein charmantes Heidedorf in urwüchsiger Landschaft – staatlich anerkannt als Erholungsort mit romantischen Fachwerkbauten und alten Bauerngehöften, knorrigen Eichen und liebenswerten, stets freundlichen Heidjern. Teenie-Tochter, was willst du mehr? Stradivarius, Bershka und Rituals, würde sie vermutlich antworten, wenn sie wer fragen würde. 24 Stunden Shopping bei unbegrenztem Budget – vielleicht in London, Paris, New York oder zumindest in Hannover. Keine Sorge, könnte ich ihr versichern. Für die perfekte Klassenfahrt ist nicht der Zielort entscheidend. Nach Idar-Oberstein ging mein erster Trip in Klasse 10. Wir waren also aus heutiger Sicht Spätzünder, immerhin zum Teil schon 16. Das hatte auch Vorteile. Höhepunkte hatte die Fahrt ohnehin reichlich. Beispiel gefällig? Am letzten Abend hatten wir uns eine Playback-Show gewünscht. Die Lehrer waren einverstanden. "Klaus Lage" gab im Anschluss an seine "1001 Nacht" fleißig Autogramme. Mit einem Edding. Wie sonst. Den nahm ein weiblicher Groupie und malte ihm mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen einen Punkt auf die Nase. "Klaus Lage" fand das lustig; bis der Mann, der sich prima mit Tafelkreide und Matheformeln auskannte, merkte, dass dem Edding mit Grund die Wasserfestigkeit als Qualitätsmerkmal zugeschrieben wird. Der Punkt überstand die Nacht vor der Heimfahrt, die Reise selbst und auch das Wochenende danach. Außerdem ging es nach Alençon (Normandie). Schüleraustausch, ebenfalls in Klasse 10. Pluspunkte bekommt der Trip, weil wir viel gesehen haben. Paris auf dem Hin- und Rückweg zum Beispiel. Toll. Minuspunkte gibt's, weil ich in meinem Gästezimmer nie allein sein durfte. Unter meinem Bett hatte die Familienkatze Soprano ihr Miez-Quartier. Weil sie zunächst trächtig, dann eine junge, allein-erziehende Mutter war, war sie das einzige Wesen in meinem Gasthaushalt, für das täglich frisch gekocht wurde. Soprano an die französische Gastfreundschaft zu erinnern und ihr zumindest in der Zeit meines Aufenthaltes einen Ausweichplatz zuzuweisen, kam für meine Gastfamilie nicht infrage. Also lebten wir zu – ja, zu wie vielen eigentlich? – in dem Zimmer. In die damals noch gerade so existierende DDR ging es in Klasse 11. Erst Schwerin; Teil zwei in der Reihe "Die Katzen, die Klassenfahrten und ich". Eine Gruppe Samtpfoten lebte in der Mädchendusche der Jugendherberge. Wobei: Das hört sich schlimmer an, als es war. Wasser war ohnehin eher unregelmäßig verfügbar. Auch die Klospülung funktionierte nur manchmal. Die Katzen hatten also überwiegend ihre Ruhe. Und wir hatten ganz andere Sorgen. Zum Fleisch wurde nämlich keine Soße gereicht, weil ja bereits Gemüse auf dem Tisch stand. Und überhaupt, argumentierte die Küchenmadame, sei zum Frühstück Käse serviert worden. Das reiche doch wohl. Was in London in Klasse 12 passierte? Top Secret. Aber dass gut 20 Katzen in unserem Hostel gelebt haben dürften, das verrate ich Ihnen. Und meiner Tochter und ihrer Klasse wünsche ich tierisch viel Spaß.Der Punkt überstand die Nacht vor der Heimfahrt
"Eine Gruppe Samtpfoten lebte in der Mädchendusche der Jugendherberge. Wobei: Das hört sich schlimmer an, als es war."Anke Hibbeler, Teamleiterin "Reporter"
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