Die Berliner im OM
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Der Osterbesuch der kleinen Verwandten aus Berlin löst einen Wettkampf der Heimaten aus. Für mich hat das Oldenburger Münsterland gewonnen.
Antonius Schröer | 20.04.2023
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Der Osterbesuch der kleinen Verwandten aus Berlin löst einen Wettkampf der Heimaten aus. Für mich hat das Oldenburger Münsterland gewonnen.
Antonius Schröer | 20.04.2023
Sie trug eine viel zu große Trainingsjacke aus Ballonseide, am Arm ein paar Löcher und auf dem Rücken stand ziemlich abgenutzt „TSV Elstorf“. Ich hatte nie von diesem Verein gehört, meine Teenie-Nichte aus Berlin wahrscheinlich auch nicht, aber diese Jacke war cool, gekauft im Secondhand-Shop in der Bundeshauptstadt und jetzt vorgeführt beim Osterbesuch bei Oma und der Tante in Emstek. Nicht nur der TSV Elsdorf, auch der TuS Lutten oder der SV Bevern hätten ihren Spielern dieses erlesene Modestück nur unter Strafe zugemutet – was haben wir früher in diesen Ballonseide-Anzügen mit integriertem Baumwollfutter geschwitzt. Mein Schlaumeier-Kommentar „Voll der Trend in Berlin?“ wurde mit einem genervten Augenrollen quittiert. Vorweg, ich mag meine kleinen Verwandten aus Berlin, auch wenn die Zeiten vorbei sind, wo sie mit strahlenden Augen bei Fleischer Moors den Kuller Wurst fast inhalierten – jetzt musste Oma leise nach vegetarischer Bolognese fragen. Und für mich begannen spannende Ostertage des Schlagabtauschs. Auf unserer Expeditionsfahrt in die Kreisstadt haute ich unterwegs alles raus, was unser Oldenburger Münsterland berühmt macht: tolle Radwege, kaum Arbeitslosigkeit, schöne Häuser, coole Geschäfte, hippe Typen, super Schwimmbäder, Tierpark Thüle, viel Natur – fast wie im Paradies. „Aber hier riecht es“ war die knappe Antwort von der Rückbank, ohne groß vom Handy hochzugucken und die Blicke übers Land gleiten zu lassen. „Und bei euch stinkt es nur nach Abgasen“, Onkel Antonius lief zur Hochform auf und wollte jetzt genau wissen, was denn in Berlin besser sei. Nicht so viele Autos, bekam ich zu hören, und viel mehr U-Bahn, irgendwie war das schon alles. Eigentlich wollte ich jetzt richtig loslegen und erklären, wie viele Bundesländer Geld nach Berlin pumpen, damit sie in der Hauptstadt überhaupt irgendwie überleben können, aber wir wollten ja am Ostersonntag noch mit Oma und der Tante in die Ostermesse. Und so hielt ich den stolzen Heimatball lieber flach. Protzte lieber damit, dass ich wusste, dass der Song von Udo Lindenberg im Radio auf Platz 1 der Hitliste steht, aber erntete nicht einmal ein Achselzucken. Am Ostersonntag in der Kirche waren wir dann aber eine ganze Bankreihe voll und die Trainingsjacke vom TSV Elsdorf wurde freiwillig gegen eine stylische Wendeweste getauscht, gekauft im Oldenburger Münsterland – ich war stolz. Die Musikkapelle mit vielen jungen Musikern spielte, der Pastor lief predigend durch die Reihen, die Messe war richtig gut und das Osterbuffet bei Backhaus so reichhaltig, dass es wohl nirgends in Berlin seinesgleichen findet. Gerne hätte ich bei der Großstadt-Gang am Tisch gesessen, aber sie schickten mich mit einem Kopfschütteln weg zu den Senioren, da passe ich besser hin. Am Nachmittag beim Kaffee klingelte mein Handy: „Wir sind auf der Wiese Fußballspielen, kannst du kommen?“ Ich schnappte mir noch einen meiner Brüder und einen meiner Söhne, die Trainingsjacke vom TSV Elsdorf aus dem hippen Berliner Secondhandshop reichte gerade noch als linker Torpfosten und wir bolzten fast bis zur Dunkelheit. Hätte es in Berlin nicht gegeben.„Onkel Antonius lief zur Hochform auf und wollte jetzt genau wissen, was denn in Berlin besser sei.“Antonius Schröer
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