„Meine Woche“ heißt diese Kolumne. Dabei möchte ich eher sagen: „Meine Fresse!“ Waren Sie diese Woche auch beim Friseur und haben in den bunten Illustrierten Gucci-Gnabry gesehen?
Bayerns Flügelflitzer hat es mal so richtig in die Schlagzeilen geschafft. Nein, keine Sorge, nicht durch Tore für den sympathischen Dauermeister. Wohl aber dank durchaus – sagen wir – mutiger Outfits auf der Pariser Fashion Week. Dort posierte „Särsch“ beispielsweise mit einem lässig ums Haupt gebundenen Seidenkopftuch, das ein bisschen an Brigitte Bardot im Cabriolet erinnerte.
Geben Sie bei Google mal die Begriffe „,Gnabry“ und „Kopftuch“ ein! Versprochen: Sie werden blass vor Neid ob dieser Grandezza. Meine Herren, so gehen Sie mal zur nächsten Schützen-Versammlung oder lässig an der Thülsfelder Talsperre spazieren! Wenn die Leute es schlecht mit Ihnen meinen, wechseln sie die Straßenseite. Haben Sie dagegen Glück, ruft jemand Hilfe und Ihr Hausarzt hat noch Sprechstunde.
"Ich wünsche mir einfach mehr Adidas-Müllers und weniger Gucci-Gnabrys."Heiko Bosse
Die Frage, die ich mir stelle, ist: Was um alles in der Welt geschieht zwischen den Ohren so mancher Sportler – wobei wir Schauspieler, Moderatoren und andere Sternchen, die in ihrem Leben nicht nur von Oma fotografiert wurden, da gar nicht ausschließen –, nachdem sie dreimal den Ball richtig getroffen haben, dass sie dermaßen abdriften?! Da stehen schüchterne 18-Jährige, die gestern vielleicht noch als Industriekaufmann ihren Dienst verrichtet haben, an der Seitenlinie, bevor sie erstmals in ein Bundesliga-Spiel eingewechselt werden. Leute wie du... – Pardon – wie Sie und ich. Und wir können unser Weihnachtsgeld drauf verwetten: 2 Monate, 3 Tore und 4 Schlagzeilen später sitzen eben diese schüchternen Jungs plötzlich im pinkfarbenen Fellmantel auf der Tribüne und tragen ein getöntes Vollvisier vor der Mappe, das ehrlicherweise nicht jedem so gut wie Victoria Beckham steht. Man stelle sich vor, die Herren würden am Montag derartig – vielleicht auch mit Seidenkopftuch – „auf Lager“ am Stapler aufschlagen... Ich wär’ so gern im Kollegenkreis dabei und würd’ lauschen.
Nun sagen Sie vielleicht: „Hallo?! Ist doch ein freies Land! Hier kann doch bitteschön jeder einen pinkfarbenen Fellmantel tragen, ohne irgendwen – und am allerwenigsten den Bosse – danach fragen zu müssen!“ Und ich antworte: unbedingt! Und denke nur kurz an den kleinen Fußballfan, der monatelang sein Taschengeld spart, um sich irgendwann endlich das Trikot seines Lieblingsclubs kaufen zu dürfen – und damit indirekt den warmen Hintern unserer Gucci-Fellbande auf der Tribüne mitfinanziert.
Reinhard Mey weiß: Die Lösung ist so einfach
Vermutlich haben Sie es eingangs schon vermutet, daher gebe ich alles zu: Ich bin nicht eben der größte Sympathisant des FC Bayern. Jedoch: Dass es auch anders geht, beweist an der Säbener Straße beispielsweise ein Thomas Müller, der über all die Jahre seiner erfolgreichen Karriere nie einen tätowierten Hals oder kahl rasierte Schläfen brauchte, um es in die Schlagzeilen zu schaffen.
Ich wünsche mir einfach mehr Adidas-Müllers und weniger Gucci-Gnabrys. Letzterem Typus hat Reinhard Mey – in den Jahrzehnten seines Schaffens der verwaschenen Jeans treu geblieben – übrigens mal ein Lied gewidmet. Es trägt den selbsterklärenden Titel „Die Blitzlichter machen uns zu Idioten“. Und erzählt von der bemerkenswerten Metamorphose, die nicht wenige derer erfahren, denen dreimal zu oft auf die Schulter geklopft worden ist. Und endet mit dem gut gemeinten Rat: „Halt’s Maul und mach’ nur einfach deinen Job!“ Mach’ ich jetzt übrigens auch – Sabbel halten.
Zur Person:
- Heiko Bosse ist Mitglied der Chefredaktion der OM-Medien.
- Den Autor erreichen Sie per E-Mail an: redaktion@om-medien.de.