Das Kreuz mit dem Leben
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Wir wissen, dass alles, was wir planen und lieben, durchkreuzt werden kann. Denn: Der Karfreitag ist eine dunkle Wahrheit.
Dr. Heinrich Dickerhoff | 07.04.2022
Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Wir wissen, dass alles, was wir planen und lieben, durchkreuzt werden kann. Denn: Der Karfreitag ist eine dunkle Wahrheit.
Dr. Heinrich Dickerhoff | 07.04.2022
Freuen Sie sich auf Ostern? Endgültig Frühling. Familientreffen. Eiersuche. Osterbrunch. Vorher kommt noch der Karfreitag. Aber das Leben ist schon so bitter und dunkel genug. Gerade jetzt. Da brauchen wir bunte Eier und Blumen fürs Gemüt. Und nicht ein Kreuz. In der Bibel setzen die Evangelisten Markus, Lukas und Johannes den Karfreitag ganz unterschiedlich in Szene. Jeder von ihnen deutet den Tod Jesu – und ringt mit der Frage, wie wir leben können mit Schatten und Scheitern und Schmerz. Bei Markus ist Jesus von allen verlassen, verhöhnt von den religiösen Führern wie von denen, die mit ihm gekreuzigt werden. Die Henkersknechte machen sich einen makabren Spaß mit ihm, sie pressen dem Sterbenden Essig statt Wasser auf die Lippen. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ – mit diesem lauten Schrei stirbt Jesus. Aber Markus erkennt ihn gerade so als den „Sohn“, der vorlebt, wie und wo Gott ist. Dass Gott eintaucht in die tiefste Dunkelheit. Sogar in die Gottverlassenheit. Dass nichts uns trennt von letztem Sinn, auch wenn wir den nicht sehen, nicht einmal mehr ahnen können. Und dann zerreißt der Vorhang im Tempel, und dem römischen Hauptmann gehen die Augen auf. Bei Lukas ist Jesus nicht allein, viele gehen mit ihm und betrauern ihn, aber er sagt: „Weint nicht um mich…“ Und selbst sterbend macht er noch Sterbebegleitung, nimmt er den, der neben ihm das Leben verliert, mit in seine Hoffnung. Bei Johannes geht Jesus wie unberührt durch den Karfreitag, trägt selbst und allein sein Kreuz, geht unbeirrt seinen Weg und stirbt mit dem Wort „Am Ziel“. Markus erinnert mich, dass das Licht mit uns geht durch die Todschattenschlucht, und dass ich nie urteilen darf über die, die verzweifeln. Lukas erinnert mich, dass manchmal mein Leid besser zu ertragen ist, wenn ich auf die schaue, die ebenso leiden oder noch mehr. Johannes erinnert mich, dass jedes Leben eine unverlierbare Würde hat und behält, wie auf ewigem Goldgrund gemalt. Wenn ich nicht verdränge, was das Leben durchkreuzen kann, dann freue ich mich noch mehr auf und über Ostern. Ich vermag nicht hinter den Vorhang der Welt zu schauen, aber der Vorhang hat einen Riss, und durch den Riss dringt Licht ein, wie Leonard Cohen sang.
Ja, nach Winter und Dunkelheit sehnen wir uns nach Licht. Nach Farben. Nach blühendem Leben. Machen Häuser und Vorgärten schön. So schön, wie das Leben ist. Jedenfalls manchmal. Hoffentlich oft. Und doch geht uns nicht aus dem Sinn, dass der Krieg in der Ukraine Menschen frisst. Der Krieg würde auch wüten, wenn wir uns alle Freude verbieten. Nein, wir dürfen uns freuen und das Leben feiern. Und wissen doch, dass alles, was wir wünschen und planen und lieben, durchkreuzt werden kann. Der Karfreitag, der immer seine Schatten auf das Leben wirft, ist eine dunkle Wahrheit.Evangelisten setzen den Karfreitag unterschiedlich in Szene
"Markus erinnert mich, dass das Licht mit uns geht durch die Todschattenschlucht, und dass ich nie urteilen darf über die, die verzweifeln."Heinrich Dickerhoff
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