„Mehr Speis“, schreit der Mann am Schlauch und fuchtelt mit den Armen. Das Rohr reicht gerade vom Lkw bis zur Unterführung. Kubikmeter für Kubikmeter rinnt der graue Strahl in die Tiefe. Früh morgens waren die Arbeiter angefangen, den Tunnel zu fluten. Knapp 2O Lkw-Ladungen waren zwischen Gleis 1 und Gleis 2 geschafft, und der Tunnel war erst halbvoll, als die Ordnungsbehörde einschritt und das Treiben beendete. Beton ist, was man daraus macht, sagt der Lobbyist. Doch das hier war eher ein Stück aus dem Tollhaus.
Es war dem Hund von Nachbar Steinkamp zu verdanken, dass die Verfüllung abgebrochen wurde. Zu früher Stunde hatten sich Ferdi und sein Vierbeiner auf den allmorgendlichen Rundgang begeben. Und der führte wie stets am Cloppenburger Bahnhof vorbei. Dort sah der Nachbar die Bescherung und alarmierte umgehend die Behörden.
Die Stadt Cloppenburg war damals von der Aktion überrascht und verhängte sofort einen Stopp. Natürlich hatte die selbstherrliche Bahn die Stadt vorher nicht informiert. Was wir auf unserem Gelände machen, ist unser Ding. Pfeif auf Gesetze. Das ist jetzt 4 Jahre her. Aus der damaligen Aufregung ist ein Begräbnis erster Klasse geworden. „Alles in Ordnung“, sagt die Stadtverwaltung mittlerweile. War nicht so gemeint mit der damaligen Anzeige. Haben wohl überreagiert, machen sie heute devot Pfötchen.
"War nicht so gemeint mit der damaligen Anzeige. Haben wohl überreagiert, machen sie heute devot Pfötchen."Otto Höffmann
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg, sonst wegen Milde und Verständnis weniger bekannt, bescheinigt dem Bahn-Verwaltungs-Mitarbeiter, der die Verfüllung angeordnet hatte, Blödheit. Keine „hinreichend sicheren Verdachtsmomente für eine bewusste und gewollte Zerstörung eines Kulturdenkmals“ seien erkennbar. Auf Deutsch: Mein Gott, wie sollte der Mann denn ahnen, dass es sich bei der Bahnanlage in Cloppenburg um ein Kulturdenkmal handelte. Als er den Beton in die Unterführung strömen ließ, war ihm nicht bewusst, dass er damit ein denkmalgeschütztes Gebäude zerstörte. Und wenn ihm das bewusst gewesen war, dann hat er es auf jeden Fall nicht gewollt. Also wird jetzt weiter gefüllt, bis der Tunnel dicht ist.
Damit endete ein 4-jähriger Streit um eines der wenigen Industriedenkmäler Cloppenburgs. Ist das normal?
Aber was ist an der Deutschen Bahn schon normal? Das niedersächsische Landesamt für Denkmalschutz (NLD) hatte wohl selbst ein schlechtes Gewissen, als es das endgültige Fluten des Eisenbahntunnels kürzlich erlaubte. Auf seinen Persilschein, mit dem es jetzt die Zerstörung absegneten, klebte das Amt ein Trostpflasterchen. Dort heißt es, die Treppenabgänge müssten vom Leichtbeton zu trennen sein, und zwar durch „Folie oder einem anderen geeigneten Mittel“. Schließlich könne es ja sein, dass man den Tunnel irgendwann einmal wieder eröffnen wolle, weil man ihn brauche. Und das wäre durch eine Folientrennung leichter durchzuführen. Bravo.
Also, für diese Idee gebührt den Denkmalschützern die Zitrone des Jahres. Mit der angeblich möglichen Wiedereröffnung des Tunnels und der damit verbunden Entfernung von 40 Lkw-Ladungen Beton aus der Überführung haben sie den Vogel des Jahres abgeschossen. Doch fürs Veräppeln brauchen wir den Denkmalschutz nicht. Auch nicht eine Buddel-Bahn. Das können wir schon selbst.
Zur Person:
- Otto Höffmann ist Rechtsanwalt in Cloppenburg.
- Den Autor erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse redaktion@om-medien.de.