Das Amtmannsbult: Vechtas "Regierungszentrale" an 6 Tagen im Jahr
Fundbüro, Treffpunkt, Ort zum Verschnaufen: Im Amtmannsbult laufen zum Stoppelmarkt die Fäden zusammen. In dem unscheinbaren Gebäude mitten auf der Westerheide ist schon viel passiert.
Gruß vom Balkon: Hier findet alljährlich die Eröffnung zum Stoppelmarkt statt. Foto: Archiv Stadt Vechta
Die Berichterstattung rund um den Stoppelmarkt 2023 wird Ihnen präsentiert von der Volksbank Vechta.
Organisation, Markleitung, zentrale Anlaufstelle – das Amtmannsbult, das relativ unspektakuläre Gebäude auf der Westerheide, ist einmal im Jahr und dann für 6 Tage die „Regierungszentrale“ in Vechta. Auf zwei Etagen laufen hier die Fäden zusammen. „Das war früher von hunderten von Jahren so und ist auch heute noch so“, sagt Bianka Kienitz, Stabstellenleiterin im Referat für strategische Steuerung und Bürgermeisterbüro der Stadt Vechta. Sie kennt sich aus mit allen organisatorischen Belangen rund um den Stoppelmarkt.
Im Amtmannsbult bekommt man die Hilfe, die man braucht. Sogar verlorene Kinder werden nach Informationen der Stadt an den Festtagen dort abgegeben. Man kümmert sich liebevoll um die Kleinen und versucht zeitgleich, die Eltern ausfindig zu machen.
Mit Prominenten weiß man im Amtmannsbult umzugehen
Aber das Amtmannsbult ist mehr als ein Fundbüro. Traditionell findet auf dem Balkon die Markteröffnung durch den Bürgermeister und seinen Ehrengast statt. In diesem Jahr wird dort übrigens am Donnerstag Travestie-Star Lilo Wanders neben Bürgermeister Kristian Kater stehen. Mit Prominenz weiß man im Amtmannsbult umzugehen, auch wenn diese überraschend kommt. Vor 5 Jahren war der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Eröffnungstag zeitgleich zufällig in Cloppenburg. Vechtas Bürgermeister Helmut Gels griff vom Balkon kommend sofort zum Telefon und rief ihn an. Eine Stunde später stand der CDU-Politiker auf der Matte und feierte die Eröffnung mit. Im Anschluss gab es Bratwurst und Pommes Frites, Altmaiers Leibspeise, für ihn und seine Mitarbeiter.
Gedränge am Eröffnungsabend
Auf dem Balkon selbst herrscht immer ein reges Treiben, schließlich möchte jeder Gast sehen und auch gesehen werden. Bianka Kienitz erinnert sich sogar an ein richtiges Eröffnungsgedrängel vor einigen Jahren. Das führte zu der kuriosen Situation, dass weder der Bürgermeister und sein Ehrengast, noch Jan und Libett Platz auf dem Balkon fanden. Die festliche Eröffnung schien fast zu scheitern bis der Bürgermeister ein Machtwort sprach. Seitdem gibt es eine Platzordnung, an der sich jeder zu halten hat. Eine Freizone wird mit Klebestreifen auf dem Boden markiert. „Aber rauf auf den Balkon geht es nur mit mir“, schmunzelt Kienitz“, „schließlich habe ich den Schlüssel.“
Es bedarf „guter Geister“, um die Gäste im Amtmannsbult zu empfangen und zu betreuen. Schon der mittlerweile verstorbene ehemalige Bürgermeister Bernd Kühling wusste die gute Arbeit der eifrigen Mitarbeiterinnen zu schätzen. Früher war es Maria Mählmann, heute ist es Anke Berkensträter, die sich 6 Tage um das Wohl aller kümmert. Und das unter manchmal widrigen Umständen, denn gerade im ersten Stock geht es beengt zu, wie Bianka Kienitz zu berichten weiß.
Kaum mehr als ein Bretterverschlag: Das Amtmannsbult in den 60er Jahren. Foto: Archiv Stadt Vechta
Die Geschichte des Amtmannsbult geht Jahrhunderte zurück: Da der Stoppelmarkt früher auf freiem Gelände stattfand, musste ein Marktgericht installiert werden. Dort kümmerte man sich um den geordneten Ablauf. Das Marktgericht auf dem Stoppelmarkt war auf einer kleinen Anhöhe, und es wurde das Amtmannsbult genannt. Dort wurde, wie schon Franz Hellbernd im Jahr 1988 in seinem Buch „Stoppelmarkt in Vechta“ schrieb „das Zeichen zur Eröffnung und Beendigung der Markttage gegeben. Ausserdem hatte der Drost bzw. der Amtmann dort seinen Sitz, und es wurden die Wachen eingeteilt.“ War dieser Ort seit Bestehen des Stoppelmarktes noch ein besserer Holzverschlag, wurde daraus erst im Jahr 1974 ein massives Gebäude.
Richtfest im Jahr 1974. Foto: Archiv Stadt Vechta
Im Amtmannsbult haben heute der Marktmeister und die Marktaufsicht ihren Platz, hier halten Feuerwehrmänner aus Vechta und Umgebung ihre Wache, nebenan stehen Rettungskräfte für hilfsbedürftige Personen bereit. Im Gebäude sind noch 2 Aufenthaltsräume im Obergeschoss zu finden, die für Empfänge, PR-Termine und Besprechungen genutzt werden.
Jens Siemer von der Stabsstelle Marktwesen, Kultur und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Vechta darf sich seit einigen Jahren Marktmeister nennen. Er kennt das Amtmannsbult, das einige Wochen im Jahr seit zweites Zuhause ist, sehr genau. Selbst mitzufeiern, ist daher für den Marktmeister kein Thema.
Rund dreieinhalb Wochen vor der Eröffnung werden die Büros der Marktverwaltung auf das Festgelände verlegt, sie sind dann erster Anlaufpunkt für alle Schausteller und Lieferanten. Von hier wird alles geleitet, hier wird auch schnelle Hilfe geleistet: „Auskünfte, Pläne und Bekanntmachungen – bei uns gibt es alles“, sagt Jens Siemer mit einem Lächeln.
Das Amtmannsbult ist erste Anlaufstelle für Hilfesuchende, aber auch für Menschen, die etwas gefunden oder verloren haben. Wie die unbekannte Dame, die vor einigen Jahren ohne Schuhe im Gebäude landete. Ihr seien die Schuhe im Zug gestohlen worden, erinnert sich Bianka Kienitz. Sie muss immer noch lachen, wenn sie an das Happy-End der Geschichte denkt: Jochen Zumbrägel, der seit Jahren die Symbolfigur des Stoppelmarktes, Jan, gibt, rief kurzerhand seine Frau an, die mit passenden Turnschuhen zur Westerheide kam. Der Unbekannten konnte geholfen werden.
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