Da habe ich aber mal wieder Plück gehabt

Es gibt Tage, da scheint alles schiefzugehen. Und das merkt man meistens schon beim Aufstehen. So erging es mir neulich, als ich zunächst meine Brille nicht fand. Dabei gibt es nur drei Stellen, wo ich sie abends parke. Nun ist ein vierter Parkplatz dazugekommen. Den ersten Kaffee konnte ich direkt in den Ausguss schütten, denn ich vergaß, an der Milch zu riechen und schüttete sie schwungvoll in die Tasse – wo sie sofort grausliche kleine Klümpchen bildete. Aber ohne Kaffee mit Milch geht bei mir morgens nichts. Meine Vermieter halfen mir glücklicherweise mit einem Schuss noch genießbarem Kuhsaft aus.

Dann hieß es, schnell unter die Dusche springen, denn ich musste zum Arzt. Als das Wasser gerade die komplette Hautoberfläche benetzt hatte, fiel mir ein, dass das Handtuch noch über dem Trockner hing. Und der ist nicht eine, nicht zwei, sondern drei Armlängen von der Dusche entfernt. Also durfte ich nicht nur mich abtrocknen, sondern auch noch die Pfützen von den Fliesen aufwischen.

Nun aber in die Klamotten geschlüpft und los. Kurz vor dem Ziel: Umleitung. Mist, Mist, Mist. Ich war die Strecke lange nicht gefahren, wusste nichts von den Bauarbeiten und schon gar nicht, wie ich jetzt auf kürzestem Weg in die Stadt kam. Endlich fuhr ich auf den Parkplatz, fand sogar auf Anhieb eine freie Parkbucht und hatte noch ganze 7 Minuten bis zum Termin. Als ich ausstieg, duschte ich zum zweiten Mal an jenem Morgen. Und ich bin sicher, die Wolke hatte nur auf diesen Moment gewartet.

Egal, ich brauchte einen Parkschein, rannte zu dem Automaten, der nur wenige Schritte entfernt stand, warf Geld für 2 Stunden Parkzeit hinein, drückte auf den Knopf und – nichts. Ich begann, sämtliche Knöpfe zu drücken, aber weder einen Schein spuckte der Automat aus, noch mein Geld. Inzwischen warteten drei weitere Leute hinter mir. Sie hatten zwar Schirme, sahen aber dennoch nicht glücklich aus angesichts meiner verzweifelten Versuche. Vielmehr warfen sie mir Blicke zu, die zwischen Mitleid und Genervtsein tendierten.

"Ich hätte zum Duschen auch kein Duschgel benötigt, ich schäumte bereits vor Wut."

Ich machte auf dem Absatz kehrt, warnte die Wartenden noch, dem gierigen, egoistischen Gerät nicht noch mehr Geld in den Schlund zu stopfen, und steuerte mit mittlerweile pitschnassen Haaren den zweiten Automaten an, während ich gleichzeitig in meinen Taschen nach dem passenden Kleingeld suchte. Ich hätte zum Duschen auch kein Duschgel benötigt, ich schäumte bereits vor Wut.

Noch 3 Minuten verriet mir ein Blick auf meine Uhr, als ich gerade zwei Schritte von dem nächsten mutmaßlichen Parkscheinverweigerer entfernt war. Da hielt ein Auto mit heruntergelassener Scheibe neben mir und der Fahrer streckte mir durch den Regen einen Parkschein mit den Worten "Ist noch eine halbe Stunde gültig" entgegen. Ich stutzte kurz, griff nach dem wertvollen Stück und bedankte mich lauthals rufend, denn ich flitzte bereits in Richtung Arztpraxis. Dort kam ich zwar völlig derangiert, aber gerade noch pünktlich an.

Natürlich kam ich nicht sofort an die Reihe, sodass mir Zeit blieb, einen länger gültigen Schein zu ziehen, was dann auch klappte. Und nun fragen Sie sich sicher, was das denn jetzt mit Plück zu tun hat und was das überhaupt ist. Nun ja, es ist meine Abwandlung des Sprichwortes "Glück im Unglück gehabt" in Kurzform, wobei ich es "Pech, aber dennoch Glück – kurz Plück – gehabt" formuliere. Meinen Parkschein habe ich anschließend natürlich ebenfalls weitergegeben.

Zur Person:

• Sonja Gruhn ist Redakteurin der OM-Medien.
• Die Autorin erreichen Sie unter redaktion@om-medien.de.