Die Schätzungen hinsichtlich der Zahl der Bundesbürger, die an Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn erkrankt und damit einem erhöhten Darmkrebsrisiko ausgesetzt sind, schwankt. Die einen sprechen von rund 320.000, andere Quellen von 470.000 Betroffenen. Fakt ist aber, dass die Gruppe der Menschen, die an einer Chronisch-Entzündlichen Darmerkrankung (CED) leiden, wächst. Auch im Oldenburger Münsterland und den angrenzenden Regionen.
"Der Landkreis Vechta ist für die Behandlung von CED-Patienten gut aufgestellt", sagt Dr. Volker Meister, Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie im St. Marienhospital Vechta. Denn 2 der 17 CED-Schwerpunktpraxen in Niedersachsen befinden sich im Landkreis Vechta.
Schwerpunktpraxen kooperieren mit Darmzentrum Vechta
Das ist neben der Praxis Dr. Meisters die gemeinsam von Dr. Hubert Wübbolding und Dr. Gert Bokelmann betriebene Praxis im Gesundheitscentrum Damme. Beide Praxen arbeiten sowohl miteinander als auch eng mit dem Darmzentrum Vechta zusammen.
Die Zahl der CED-Patienten im Gesundheitscentrum sei in den vergangenen Jahren rasant angestiegen, erklärt Dr. Wübbolding. Derzeit betreuen er und Dr. Bokelmann in ihrer Praxis gemeinsam mit den Fachassistentinnen CED mehr als 250 Betroffene. Dr. Meister spricht von mehreren 100 in seiner Praxis.
Patienten benötigen eine Betreuung
Wichtig ist aus Sicht der Ärzte: CED-Patienten benötigen eine ständige Betreuung, auch in den Zeiten, in denen sie schubfrei sind, sprich, der Dickdarm (bei Colitis ulceroa) oder der gesamte Verdauungsapparat (bei Morbus Crohn) keine Entzündungen aufweist.
Heißt: Auch wenn er beschwerdefrei sei, sollte sich der Patient alle 3 bis 4 Monate in einer CED-Schwerpunktpraxis vorstellen, bei Schüben natürlich öfter, sagt Maike Fangmann, eine der CED-Fachassistentinnen im Gesundheitscentrum.
Fachassistentinnen kommt große Bedeutung zu
Die Ausbildung zur CED-Fachassistentin oder CED-Nurse ist noch vergleichsweise neu. Zu ihrem Aufgabenbereich heißt es beim Kompetenznetz Darmerkrankungen, bedingt durch den intensiven Kontakt zu Patienten mit CED komme der Fachkraft eine zentrale Rolle zu. Sie entlaste den Arzt durch Erstgespräche und gewährleiste eine höhere Qualität in der Betreuung von Patienten mit CED.
Bei der Betreuung der CED-Patienten sind nach Worten Dr. Bokelmanns auch die Kontrollen notwendig, ob, und wenn ja, welche Folgen für den Patienten das eingesetzte Medikament hat, das das Ausbrechen von Schüben unterbinden soll.
Nicht nur das Cortison, das über Jahrzehnte ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Entzündungen gewesen war und ist, kann langfristig erhebliche Nebenwirkungen haben. Das gelte eben auch für andere Medikamente wie Methotrexat oder Biologikas wie Remicade und Humira, betont Dr. Bokelmann. Ihr Einsatz müsse deshalb einem genauen Monitoring unterliegen.
Keines der Medikamente spricht zu 100 Prozent an
Mit Blick auch auf die neuesten CED-Medikamente, die alle aus dem Bereich der Rheumatologie stammen, erklärt Dr. Wübbolding, habe bislang die Pharmaindustrie noch keines entwickelt, das zu 100 Prozent anspricht. Und nur bei 30 bis 40 Prozent der Patienten gelinge es, eine Langzeitstabilität zu erreichen, also Schübe über einen längeren Zeitraum zu vermeiden.
Bei Morbus Crohn gebe es nur drei Gruppen von Biologika zum Eindämmen der Erkrankung. "Zirka 25 Prozent der Patienten können trotz der Medikamente nicht therapiert werden", stellt Dr. Meister fest. Ihnen bleibt letztlich nur die Hoffnung, dass ein in Zukunft neu entwickeltes Medikament bei ihnen anschlägt.
"Es gibt keine Parameter, wann der Arzt die medikamentöse Behandlung eines CED-Patienten aussetzt."Dr. Gert Bokelmann
In dem Zusammenhang sagt Dr. Bokelmann: "Es gibt keine Parameter, wann der Arzt die medikamentöse Behandlung eines CED-Patienten aussetzt." Ist die Behandlung aber an diesem Punkt angekommen, bleibt vielen Colitis-ulcerosa-Patienten mit Blick auf das steigende Darmkrebsrisiko nur die Entfernung des kompletten Dickdarms, die sogenannte Kolektomie.
Mit Blick auf die Schwere der Verläufe der Colitis ulcerosa sagt Dr. Meister, etwa ein Drittel der Betroffenen habe ein so schweres Krankheitsbild, dass nicht mal Cortison dauerhaft wirkt, ein weiteres Drittel habe mittleschwere und das letzte Drittel leichte Verläufe.
Zahl der Darmspiegelungen richtet sich nach Schwere der Verläufe
Um eine Tumorbildung im Dickdarm, die durch die Entzündung der begünstigt wird, frühzeitig zu erkennen, empfieht Dr. Meister je nach Schwere der Colitis ulcerosa Darmspiegelungen entweder jedes Jahr, alle 2 oder in leichteren Fällen alle 4 Jahre.
Etwas geringer als bei Colitis-ulcerosa-Patienten sei das Risiko der Morbus-Crohn-Patienten, an Darmkrebs zu erkranken. Ihnen empfiehlt Dr. Meister alle 3 bis 7 Jahre eine Darmkoloskopie. Sehr gut operieren lasse sich bei diesen Patienten eine am Ende des Dünndarms auftretende Engstelle. Eine solche Operation habe sich in vielen Fällen als erfolgreicher als der Einsatz von Medikamenten erwiesen.